Der Hahn ist tot
beide während ihres Sterbens nur wenige Meter entfernt gewesen. Ist das auch ein Zufall?« Er fing nervös ein fallendes Blatt auf.
»Wenn ich abergläubisch wäre«, fuhr er fort, »würde ich denken, daß wir - du und ich -, wenn wir zusammen sind, eine geheimnisvolle und unheilvolle Macht ausüben. Aber ich glaube nicht an Übersinnliches. Trotzdem, mir sind diese drei Todesfälle nicht geheuer. Ich weiß, am ersten bin ich selbst schuld. Aber die zwei anderen haben eine gewisse Parallelität dazu - auch da waren es Frauen, die weder krank noch alt waren und auf eine unnatürliche Weise umkamen. Was sagst du dazu?«
Ich überlegte. »Abergläubisch bin ich auch nicht. Es ist mir unvorstellbar, daß wir beide quasi als Todesengel Verderben bringen sollen. Wie könnte das vor sich gehen?«
Witold flüsterte, kaum hörbar: »Mord.«
»Einmal war es Totschlag im Affekt, zweimal war es ein Unfall«, antwortete ich kühl. »Der Unfall auf dem Turm war freilich spektakulär. Der in der Badewanne aber - statistisch gesehen - eigentlich nicht. Die meisten Unfälle, das weiß ich besser als du durch meine Arbeit in der Versicherung, geschehen nicht im Verkehr und Beruf, sondern im häuslichen Milieu.«
Witold gab sich damit zufrieden oder tat wenigstens so.
9
A m nächsten Tag fuhren wir nach einer Nacht mit qualvollen Träumen zur Polizei. Die Protokolle waren auf französisch abgefaßt, ordentlich getippt und zur Unterschrift bereit. Witold übersetzte, und wir unterschrieben. Danach fuhren wir zurück ins Hotel, Kitty und ich packten.
»Ich meine, Scarlett hatte irgendwo einen Lockenstab rumliegen«, sagte Kitty.
»So?« fragte ich.
Sie sah sich um, zuckte mit den Schultern. »Na, vielleicht hatte sie ihn schon eingepackt. Die Polizei hat ja ihren Koffer. Wahrscheinlich suchen sie nach Drogen oder so was, wo sie doch Apothekersfrau ist.«
Wir verabschiedeten uns von den Männern. Witold tat mir nun doch leid, wie er sich käsebleich und schlecht rasiert die achte Tasse schwarzen Kaffee eingoß und die schwere Aufgabe nun vor ihm stand, mindestens für einen weiteren Tag dem trauernden Ernst zu helfen.
Kitty fuhr ruhig und zügig. Sie sprach wenig, was mir sehr recht war. Jede von uns hing ihren Gedanken nach.
»Magst du den Rainer?« fragte sie plötzlich sehr direkt.
»Schon«, sagte ich vorsichtig.
Sie lachte ein wenig.
»Wir fallen alle auf ihn rein. Warum soll es dir anders gehen als mir. Er ist ein lieber Freund, wenn man damit zufrieden ist. Und wenn ich dir einen guten Rat geben soll, versuche, damit zufrieden zu sein.«
Ich hätte Kitty gern alles erzählt, so wie ich früher gern alles Beate anvertraut hätte. Aber über meine Liebe konnte ich nicht sprechen, denn sie war schließlich das Motiv für meine Verbrechen. Ganz klar war mir das aber selber nicht.
»Ach Kitty...«, begann ich, und tat mich so schwer, wie Witold am Abend zuvor.
»Kitty, ich laufe den Männern nicht mehr nach. An dieser Wanderung reizte mich die gemischte Gesellschaft, so etwas hatte ich vorher noch nie ausprobiert.«
»Ja, das verstehe ich. Nimm’s mir nicht krumm, daß ich so daherrede. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
»Ist schon gut, Kitty. Übrigens fahre ich gern mit dir Auto, du tust das so souverän.«
»Gut, daß ich nicht den dicken Apothekerschlitten fahren muß, dann wäre ich bestimmt nicht souverän.«
Kitty brachte mich vor Witolds Tür, wo mein Wagen stand. Sie gab mir die Hand und bedauerte, daß diese Elsaßreise so traurig zu Ende gegangen war.
Ich nahm meinen Koffer, fuhr Richtung Mannheim und überlegte fieberhaft, wie ich als erstes den elektrischen Lockenstab loswerden könnte. Ich hielt am Neckarufer, holte das Corpus delicti aus dem Koffer und steckte es in die Handtasche. Dann ging ich einen Feldweg entlang und warf das Ding an einer geschützten Stelle ins Wasser.
Als ich etwa zwei Stunden zu Hause war, rief Witold an. Er meinte, Ernst und er könnten am nächsten Tag auch heimfahren. Die Leiche würde von Frankreich aus nach Ladenburg überführt. Die Polizei habe allerdings noch eine Frage: In Scarletts Gepäck befände sich die Schachtel für einen elektrischen Lockenstab, der aber nicht darinläge. Ob wir - Kitty und ich - diesen Gegenstand versehentlich eingesteckt hätten. Ich verneinte, sagte jedoch, daß auch Kitty ihn irgendwo gesehen zu haben glaubte.
»Also war das Ding mit auf der Reise?« überlegte Witold. »Ich hatte nämlich die Idee, daß Scarlett aus
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