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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mir erzählen?«, fragte Torben.
    Statt sich ihm zuzuwenden, drehte sich Thor noch ein kleines Stück weiter um und sah nun gänzlich zur Stadt zurück. Sie kam ihm weiter entfernt vor, als es möglich sein sollte, und in viel stärkerem Maße zerstört. Von hier oben aus betrachtet waren die mächtigen Mauern kaum mehr als erbarmungswürdige Ruinen, die Türme graue Haufen aus Schutt und zerbröckelndem Stein, und der Dunst der Entfernung nahm auch den Häusern dahinter ihre vermeintlicher Unversehrtheit, machte sie zu ausgebrannten Ruinen mit verfallenen Wänden und zu schwarzen Skeletten verbrannten Dächern. Er glaubte die Leere zu spüren, die in diesen verlassenen Straßen hauste wie etwas Feindseliges, das eifersüchtig darüber wachte, dass niemand sein Reich betrat.
    Er hörte das Rascheln von Torbens Kleidung, als der Kapitän sich weiter aufsetzte, um in dieselbe Richtung zu blicken und stellte sich die vollkommen absurde Frage, was Torben sehen mochte, hatte zugleich aber auch Angst, sie sich zu beantworten.
    Gerade, als er Torbens Frage doch beantworten wollte, meinte er eine Bewegung wahrzunehmen, etwas wie ein Flackern in den Schatten des Torgewölbes, sonderbare Schatten, die Gestalt und Bedeutung anzunehmen versuchten. Sein Verstand versuchte ihn davon zu überzeugen, dass sie viel zu weit entfernt waren, als dass selbst seine scharfen Augen etwas erkennen konnten, und er hatte vollkommen recht damit. Dennoch sah er es: Unter dem Tor erschien ein schlanker, hochgewachsener Schatten in einem schwarzen Mantel und einem gewaltigen, von zwei abwärts gekrümmten Hörnern gekrönten Helm. Sie bewegte sich nicht, und selbst der Wind, der den Staub aufwirbelte und das graue Gras kräuselte, vermochte nicht die winzigste Falte in ihrem Mantel zu bewegen. Der Unheimliche stand einfach da und starrte ihn an. Er blickte nicht zufällig in ihre Richtung. Er war seinetwegen gekommen, und er sah ihn an.
    Thors Herz begann zu klopfen, aber fast zu seinem eigenen Erstaunen spürte er keine Furcht. Das bloße Dasein des Schattens machte ihm Angst, aber es war, als wüsste er, dass die Gestalt ihr Gefängnis aus Leere, Staub und erstarrter Zeit nicht verlassen konnte.
    »Wenn du nicht darüber sprechen willst, ist das in Ordnung«, sagte Torben nach einer Weile. »Aber dann sollten wir weitergehen.«
    Thor antwortete nicht, und sein Blick ließ die unheimliche Gestalt unter den Torbogen auch für keinen Moment los. Er wusste, wen er sah, und dieses Wissen erfüllte ihn mit einem Entsetzen, wie er es in dieser Art nie zuvor erlebt hatte. Es war unmöglich. Es konnte schlechterdings nicht sein, und dennoch sah er ihn und wusste um seine wirkliche Bedeutung; mit einer Gewissheit, die keinerlei Zweifel zuließ.
    Obwohl er immer noch nicht hinsah, konnte er hören, wie sich Torben mühsam in die Höhe zu stemmen begann und machte eine rasche Handbewegung, um ihn zurückzuhalten. In den unsichtbaren Augen des Schattens unter dem Tor blitzte es spöttisch auf. Vielleicht war es auch nur Verachtung.
    »Du hattest recht, mein Freund«, sagte er leise. »Wir hätten niemals hierherkommen dürfen. Es ist meine Schuld, dass all diese tapferen Männer gestorben sind. Ich hätte auf dich hören sollen.«
    Torben tat ihm nicht den Gefallen, ihm zu widersprechen, oder auch nur den Kopf zu schütteln; das hätte er gehört. Er sah ihn nur aufmerksam und zugleich misstrauisch an, und auch das spürte er, ohne ihm dabei ins Gesicht sehen zu müssen.
    »Wir sind nicht die ersten, die hier gestrandet sind, mein Freund«, fuhr er fort. »Und wir werden auch nicht die letzten sein. Aber niemand darf diese Insel betreten. Sie ist nicht für Menschen gemacht und bringt nur Tod und Leid.«
    »Hat dir das der Zwerg verraten?«, fragte Torben. Seine Stimme war frei von Spott. Thor glaubte im Gegenteil einen ganz sachten Unterton von Furcht darin zu hören. Er schüttelte den Kopf.
    »Es gibt keinen Zwerg«, sagte er. »Aber ich hätte trotzdem besser daran getan, seine Warnung ernst zu nehmen.«
    Torben schwieg auch dazu. Thor konnte hören, wie er sich unbehaglich zu regen begann, aber er machte keine Anstalten, aufzustehen. Etwas Unsichtbares und sehr Düsteres drüben unter dem Tor reagierte auf die Bewegung ... und war da etwas wie ein tiefes und durch und durch böses Lachen, das aus einem verborgenen Teil seiner Seele empor wehte?
    »Du hattest recht, weißt du?«, fuhr er fort. »Es waren Riesen, die diese Stadt erbaut haben. Sie wurden

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