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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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scharfes Tempo ein, wandten sich jedoch nicht genau in dieselbe Richtung, aus der sie gekommen waren, sondern hielten sich ein Stück weiter östlich; nicht unmittelbar auf den Waldrand zu, sondern eine flache Hügelkette ansteuernd, die ihm auf dem Herweg gar nicht aufgefallen war. Thor glaubte nicht, dass es Zufall war, war aber auch viel zu müde, um eine entsprechende Frage zu stellen. Zum allerersten Mal in seinem ganzen, langen Leben war er froh, auf einen anderen hören zu können und dass da jemand war, der die Entscheidungen und somit die Verantwortung für ihn übernahm.
    Sie brauchten lange, um sie zu erreichen, obwohl sie schnell gingen – schneller vermutlich, als es für Torben in seinem geschwächten Zustand gut war. Der Kapitän hatte bisher kein Wort der Klage hören lassen, aber Thor konnte ihm ansehen, wie schwer ihm jeder Schritt fiel, und wie große Schmerzen er litt. Abgesehen von unzähligen kleineren Schrammen, Kratzern und Blessuren hatte er drei wirklich ernsthafte Verletzungen davongetragen; einen Schnitt in jedem Oberarm, die so exakt an derselben Stelle und von ähnlicher Form waren, dass sie aus einiger Entfernung fast wie eine barbarische Tätowierung wirken mussten, und einen tiefen Stich im Oberschenkel, der immer noch blutete und ihn zu einem ungleichmäßigen und damit kräftezehrenden Hinken zwang. Thor fragte sich ein paarmal, warum er nicht die wenigen Augenblicke opferte, die es kosten würde, um seinem Freund nicht nur den Schmerz zu nehmen, sondern ihm auch ein wenig von seiner Kraft zu spenden, und beantwortete seine eigene Frage jedes Mal auf die gleiche, niederschmetternde Art: Er hatte selbst nicht mehr genügend Kraft, um sie mit irgendjemandem zu teilen, und er war einfach zu müde, um auch nur noch echtes Mitleid aufzubringen.
    Aus der Entfernung hatte der Hügel flach ausgesehen, erwies sich beim Näherkommen aber als steil und unwegsam und – zumindest in ihrem jetzigen Zustand – nur schwer zu ersteigen; fast selbst schon eine Wehrmauer, die die Natur errichtet hatte, um die Bewohner der Stadt der Riesen hinter ihnen umgekehrt abzuwehren.
    Torben stürzte ein halbes Dutzend Mal und zog sich weitere, schmerzhafte Verletzungen an Händen und Knien und Ellbogen zu, und auch Thor musste ein paarmal um sein Gleichgewicht kämpfen. Oben angekommen, waren sie beide so erschöpft, dass sie sich niedersinken ließen, um kurz auszuruhen. Er konnte Torben ansehen, wie viel Überwindung es ihn kostete, sich nicht einfach auszustrecken, die Augen zu schließen und zu schlafen, und beim Anblick seines vor Erschöpfung grau gewordenen, blutbesudelten Gesichts fragte sich Thor, ob er wohl genau so aussah; und wenn, warum.
    Der Gedanke erschreckte ihn. Es war nicht die erste Schlacht, aus der er kam. Viele von ihnen waren schlimmer gewesen. Er war schwerer und gefährlicher verletzt worden, und er hatte gegen weit stärkere Feinde gekämpft und sie überwunden. Und doch hatte er niemals eine solche Müdigkeit gespürt, eine solche Schwere der Glieder und auch der Gedanken, und niemals so große Furcht.
    Aber schließlich hatte ihn auch Mjöllnir noch nie zuvor im Stich gelassen.
    Fast ohne sein Zutun glitt Thors Hand zum Gürtel und löste den Hammer aus der ledernen Schlaufe. Suchend sah er sich um, visierte einen Felsbrocken in einiger Entfernung an und schleuderte Mjöllnir. Der Hammer zertrümmerte ihn, kehrte gehorsam wie ein perfekt abgerichteter Jagdfalke in seine ausgestreckte Hand zurück, und Thor befestigte ihn wieder an seinem Platz.
    »Was tust du?«, murmelte Torben.
    »Nichts.«
    »Er hat dir den Dienst verweigert, nicht wahr?«, fragte Torben. Als Thor nicht antwortete, fügte er mit einer müden Kopfbewegung auf die Stadt hinzu: »Dort drinnen. Seine Kraft stand dir nicht zur Verfügung.«
    Thor sah ihn nur traurig an, schlug den Mantel so über sein Bein, dass Torben Mjöllnir nicht mehr sehen konnte, als wäre es ihm plötzlich unangenehm, dass der Kapitän seine magische Waffe betrachtete, die ihn so schmählich im Stich gelassen hatte, und setzte sich zugleich etwas gerader auf. Seine Gelenke knackten hörbar, und ein wahres Feuerwerk im einzelnen vollkommen bedeutungsloser, in ihrer Summe aber fast unerträglicher kleiner Schmerzen explodierte überall in seinen Körper. Sein linkes Auge, mit dem er immer noch nicht sehen konnte, tat besonders weh. Was geschah mit ihm? Hatte er seine Unverwundbarkeit verloren? War er ... sterblich geworden?
    »Willst du es

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