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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der Toten mitzunehmen. Thor zog schweigend seine eigene Klinge und reichte sie ihm, doch Torben zögerte, danach zu greifen.
    »Ich habe immer noch Mjöllnir«, sagte Thor. »Und außerdem ist das Ding schwer. Es ist mir lieber, wenn du dich damit abschleppst.«
    Torben ignorierte den lahmen Scherz. »Der Hammer hat nichts gegen sie ausgerichtet.«
    »Nicht in der Stadt«, erinnerte Thor. »Zuvor auf dem Grabhügel sehr wohl.«
    Torben sah ihn weiterhin zweifelnd an, nahm die Klinge aber dann doch. Torben war kein Schwächling, und alles andere als ein kleiner Mann, aber in seinen Fingern sah sie aus wie ein Bihänder.
    Wieder marschierten sie eine Zeitlang schweigend nebeneinander her. Thor fiel nicht nur auf, dass Torbens Wunde zu bluten aufhörte, sondern auch, dass sein Hinken nun weniger deutlich war. Und auch ihm selbst erging es nicht anders. All die kleinen Schmerzen und Taubheiten in seinem Körper ließen mehr und mehr nach, und auch die Schwäche schien mit jedem Schritt zu weichen, den sie sich weiter von der Stadt entfernten. Er wurde allmählich wieder er selbst.
    Schließlich erreichten sie den Waldrand, und Torben zog das Schwert, um sich einen Weg durch das dichte Unterholz zu hacken. Thor drückte seinen Arm herunter, schüttelte stumm den Kopf und schleuderte Mjöllnir. Der Hammer pflügte eine mehr als zweihundert Schritte lange Schneise durch Gebüsch und Unterholz und landete mit einem Klatschen wieder in seiner ausgestreckten Hand, und Torben maß ihn mit einem dankbaren, aber auch leicht spöttischen Blick.
    »Ich wollte nur sicher gehen, dass er mir wieder gehorcht«, erklärte Thor.
    »Und es hat ganz gewiss nichts mit Angabe zu tun«, brummte Torben.
    »Doch«, erwiderte Thor, indem er den Hammer ein zweites Mal fliegen ließ, ohne den Pfad damit jedoch nennenswert zu verlängern. »Aber wenn du das in Gegenwart der anderen behauptest ...«
    »Lässt du mich kielholen?«
    »Würde ich so etwas tun?«, fragte Thor mit entrüsteter Mine.
    »Nein?«
    »Niemals«, versicherte Thor. »Ich würde dich höchstpersönlich kielholen. Das ist ja wohl das Mindeste, was ich einem so treuen Freund wie dir schuldig bin.«
    Torben grummelte eine Antwort, die er nicht genau verstand und es wohl auch nicht sollte, rammte das Schwert in die Scheide zurück und stampfte los.
    Sie folgten dem silbernen Licht des Flusses, das in fast regelmäßigen Abständen zwischen den Bäumen vor ihnen aufblitzte, und von Zeit zu Zeit ließ Thor Mjöllnir fliegen; nicht nur, um ihnen einen Weg durch das dichte Unterholz zu bahnen, sondern wie um sich immer wieder selbst davon zu überzeugen, dass der Hammer seinem Willen auch wieder gehorchte.
    Als er es das vierte oder fünfte Mal tat, fiel ihm etwas auf.
    Überrascht blieb er stehen, drehte sich um und suchte den Wald hinter sich mit Blicken ab, wandte sich dann abermals um und sah wieder nach vorne. Nachdem er es zum dritten oder vierten Mal getan hatte, fragte Torben: »Herr?«
    »Fällt dir nichts auf?«, wollte Thor wissen.
    Torben tat ihm den Gefallen, sich ebenfalls ganz herumzudrehen und aufmerksam in das graue Zwielicht hinter ihnen zu blicken. Seine Hand spielte nervös mit dem Schwertgriff. Schließlich schüttelte er den Kopf und sah Thor fragend – und ein bisschen beunruhigt an.
    »Sieh genau hin«, verlangte Thor.
    Torben gehorchte, runzelte demonstrativ angestrengt die Stirn und riss dann ungläubig die Augen auf. »Aber das ist ...«
    »Unheimlich, ich weiß«, führte Thor den Satz zu Ende. Und ganz genau das war es, und das in einem Ausmaß, dass Thor sich verblüfft fragte, wie er es die ganze Zeit hatte übersehen können. Der Wald hinter ihnen war dicht, abweisend und tot. Verkrüppelte, von kränklichem grauem Moos halb erstickte Bäume stritten sich mit dornigen Büschen und monströsen Pilz-, und Flechtgewächsen um jeden Fingerbreit Boden. Gewaltige Spinnennetze spannten sich wie zerfetzte staubige Segel zwischen den Baumwipfeln, und das Licht wirkte grau, als fehle ihm jener unsichtbare Anteil, der es zum Spender von Leben machte.
    Thor drehte sich wieder um, und obwohl er gewusst hatte, was er erblicken würde, erschrak er beinahe noch mehr als im ersten Moment.
    In der anderen Richtung war der Wald mindestens ebenso dicht, aber hell und grün, und er strotzte vor Leben. Selbst das Licht war freundlicher und lud zum Verweilen ein, statt sich wie Staub auf seine Seele zu legen.
    Thor tauschte einen beunruhigten Blick mit Torben, ging ein paar

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