Der Hammer der Götter
gehässigen Bemerkungen zu überschütten. Thor nahm sie ihm nicht einmal übel. Sie hatten einen Blick in die Hölle geworfen, und es war eben Torbens Art, mit der Anspannung fertig zu werden. Die meisten anderen Männer, die er kannte, wären daran zerbrochen.
Die Männer an Bord des Naglfar begrüßten sie mit großem Hallo und sichtbarer Erleichterung; aber Thor entging auch keineswegs der nervöse Ausdruck auf ihren Gesichtern, als sie nur Torben und ihn erblickten, und die allmählich erwachende Furcht in ihren Augen, als ihnen wohl klar wurde, dass die anderen auch nicht mehr kommen würden.
Keiner der Männer wagte es, ihm selbst eine entsprechende Frage zu stellen, und Torben gab ihnen nicht die Gelegenheit, dasselbe mit ihm zu tun. Noch bevor sie an Bord gingen, begann er auf seine gewohnt freundliche Art Befehle zu brüllen und jeden, der ihm nicht schnell genug aus dem Weg ging, Kommandos zu erteilen und Aufgaben zuzuweisen, die ein Mann allein niemals bewältigen konnte. Als Thor erschöpft in sein Quartier unter Deck taumelte, summte das Naglfar bereits vor hektischer Aktivität, und vom Ufer wehten die aufgeregten Stimmen und das Lärmen und Hantieren der Männer herauf, die in aller Hast das Zeltlager abbauten, in dem sie die letzten Tage zugebracht hatten. Mit dem Gedanken, dass Torben möglicherweise nicht besonders klug beraten war, die Männer zu solcher Eile anzutreiben, ohne ihnen den Grund für diese Hast zu verraten, schlief er ein.
Was ihn weckte – nach Stunden, die er in so tiefem Schlaf dagelegen hatte, dass nicht einmal die Geschöpfe seiner eigenen Albträume einen Weg in diesen Schlaf finden konnten, aber trotzdem noch immer müde und mit einem Gefühl bleierner Schwere in den Gliedern – waren nicht Lärm und Geschrei, sondern das genaue Gegenteil. In seiner kleinen Kajüte war es so still, dass er das Atmen einer Motte hätte hören können ... und das Torbens erst recht.
Ohne die Augen öffnen zu müssen, spürte er nicht nur seine Anwesenheit, sondern auch, dass der Kapitän irgendwo auf der anderen Seite des kleinen Raumes saß und ihn beobachtete.
»Du hattest deine Chance, alter Mann«, sagte er, immer noch mit geschlossenen Augen und ohne sich zu rühren.
»Mir einen anständigen Beruf zu suchen und Bauer oder Jäger zu werden?«, fragte Torben. Thor konnte sein heftiges Kopfschütteln hören. »Die hatte ich nie, Thor. Und weißt du auch, warum nicht? Ich musste auf einen unverschämten und unbelehrbaren Bengel aufpassen, der sich für einen Gott hielt und die Welt erobern wollte.«
»Ich meinte ja auch eher jetzt.« Thor öffnete nun doch die Augen, stellte einigermaßen erstaunt fest, dass er trotzdem kaum etwas sehen konnte und stemmte sich auf beide Ellbogen hoch. Die Bewegung führte dazu, dass er nun doch etwas sah, worauf er aber auch liebend gerne verzichtet hätte: Ein Feuerwerk kleiner, greller Blitze aus reinem Schmerz, das vor seinem linken Auge explodierte. »Du schlägst doch gerne auf mich ein, wenn ich wehrlos daliege, oder?«
»Du warst nicht bewusstlos«, antwortete Torben. »Du hast geschlafen. Wer bin ich, mich an einem schlafenden Gott zu vergehen?«
Er stand auf – nur ein Schatten, der immer wieder mit der Dunkelheit ringsum verschmelzen wollte – ging ein paar Schritte, und Thor blinzelte und hob rasch die Hand vor die Augen, als er die Decke wegzog, die er vor dem Fenster befestigt hatte, und gleißendes Sonnenlicht hereinströmte, begleitet von einem Schwall intensiven Salzwassergeruches und dem regelmäßigen schweren Klatschen, mit dem Dutzende von Rudern ins Wasser getaucht und wieder herausgehoben wurden.
»Wir haben abgelegt?«, fragte er überflüssiger Weise. Erst jetzt fiel ihm das gleichmäßige Schaukeln des Bettes auf, auf dem er erwacht war – was an sich ungewöhnlich genug war. Das Naglfar war das größte Schiff, das er jemals gesehen hatte, vielleicht das größte Schiff der Welt, und fuhr normalerweise so ruhig, dass man nicht die mindeste Bewegung spürte.
»Schon vor Stunden«, bestätigte Torben. »Ich wollte dich wecken, aber du hast so friedlich geschlafen wie ein Baby, und ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht.« Unschlüssig betrachtete er die Decke in seiner Hand, als wüsste er nichts damit anzufangen, zuckte dann die Achseln und ließ sie einfach fallen, bevor er zu seinem Platz zurückschlurfte. Thor musste nicht fragen, um zu wissen, dass Torben im Gegensatz zu ihm nicht geschlafen hatte. Er ging
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