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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gebückt und so mühsam wie ein uralter Mann, und seine Bewegungen waren fahrig. Das helle Sonnenlicht ließ nur um so deutlicher erkennen, wie aschfahl sein Gesicht war. Das einzig Helle an ihm waren die frischen Verbände an beiden Oberarmen und dem rechten Bein.
    Der Anblick weckte erneut Thors schlechtes Gewissen, und am liebsten hätte er Torben zu sich gewunken, um ihn mit seinen heilenden Händen zu berühren und ihm den Schmerz zu nehmen, doch da setzte sich der Kapitän schon wieder, und er ließ es bleiben.
    Stattdessen richtete er sich selbst weiter auf, schwang ächzend die Beine von der Liege und schauderte ein bisschen, als seine nackten Füße den Boden berührten und er spürte, wie kalt er war.
    »Wie lange sind wir schon unterwegs?«, fragte er. Gleichzeitig sah er zum Fenster, konnte hinter der rechteckigen Öffnung aber nichts anderes erkennen als eine endlose blaugraue Fläche. Wo das Meer aufhörte und der Himmel anfing, war nicht zu erkennen.
    »Noch nicht lange«, antwortete Torben. Selbst seine Stimme klang müde. »Die Männer haben getan, was sie konnten, und die meisten Schäden notdürftig geflickt. Ich weiß nicht, wie lange es hält.«
    »Du hättest mich wecken müssen«, sagte Thor, vergeblich darum bemüht, keinen Vorwurf in diesen Worten mitklingen zu lassen.
    »Wer bin ich, den Schlaf eines Gottes zu ...«
    »Torben!«
    Der Kapitän lachte zwar noch einmal, schüttelte aber dann langsam den Kopf. »Das wäre unsinnig gewesen. Was hättest du getan? Ein paar zerrissene Taue gespleißt? Die Nägel gehalten, während sie das Leck geflickt haben?« Er schüttelte noch einmal und jetzt sehr bedächtig den Kopf, stand mit einem hörbaren Altmännerächzen wieder auf und nahm eine flache Holzschale mit Wasser und ein zusammengelegtes sauberes Tuch auf, um sie ihm zu bringen.
    Thor blickte fragend, nahm aber beides gehorsamen entgegen und balancierte die Schale vorsichtig auf den Knien. Er vermied es ganz bewusst, seinem eigenen Spiegelbild zu begegnen, bevor er die Hände in das klare Wasser tauchte. Die Kälte ließ sein Auge abermals in grellen Schmerzen explodieren, aber er verbiss sich jeden entsprechenden Laut. Vielleicht waren nicht alle die weißen und roten Blitze, die er sah, reiner Schmerz. Seit dem Angriff der Dauger im Torgewölbe war er auf dem linken Auge blind, aber früher oder später, das wusste er, würde er wieder sehen können. Er hätte nur nicht damit gerechnet, dass es so schnell ging.
    Torben wartete wie der geduldige Leibdiener (der er nie gewesen war), bis er sich das Gesicht gewaschen und behutsam abgetrocknet hatte, trug Schale und Tuch wieder weg und kam mit etwas zurück, das Thor erst auf den zweiten Blick als lederne Augenklappe erkannte.
    »Was soll ich damit?«, fragte er . »Mein Auge ...«
    »... ist weg, Thor«, unterbrach ihn Torben, rasch und in so scharfem Ton, dass Thor ihn erstaunt anblickte. »Der Dauger hat es dir ausgestochen. Du solltest das tragen, schon um die Männer nicht zu erschrecken.«
    »Meinst du nicht, dass sie den Anblick von Wunden gewohnt sind?« Thor rührte keinen Finger, um nach dem Lederflicken zu greifen. »Selbst den eines ausgestochenen Auges?«
    »Nicht den eines, das nachwächst«, antwortete der Kapitän. »Du bist für diese Männer mehr als nur ihr König und Heerführer, Thor. Du bist ihr Gott. Willst du, dass sie sehen, dass ihr Gott verwundet von einer Insel zurückkehrt, die ihre Kameraden gefressen hat, und von der wir in Panik fliehen, als wären alle Ungeheuer der Hel hinter uns her?«
    »Sind sie das denn nicht?«
    »Wahrscheinlich schon«, sagte Torben ungerührt. »Aber ich habe niemandem etwas davon erzählt, und das werde ich auch nicht, so lange wir in der Nähe dieser verfluchten Insel sind.«
    Er machte eine unwillig-auffordernde Geste mit der Augenklappe, und Thor griff widerstrebend zu und befestigte sie an ihrem Platz. Er war nicht ganz sicher, ob er verstanden hatte, was Torben meinte, aber es schien ihm wichtig zu sein, und was vergab er sich schon, ihm diesen kleinen Gefallen zu tun?
    Außerdem musste er zugeben, dass der sanfte Druck seinem Auge tatsächlich wohl tat.
    Als Torben sich abwenden wollte, hielt Thor ihn rasch am Arm fest und streckte die andere Hand nach dem Verband an seinem Oberschenkel aus, doch der Kapitän riss sich los und trat mit einer fast wütenden Bewegung zurück. »Lass das!«
    »Aber ich wollte doch nur ...«, begann Thor, und Torben fiel ihm in beinahe noch

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