Der Hauch Des Bösen: Roman
dass jeder dafür bezahlen würde, der von dieser Sache oder von dem Mädchen sprach. Es gab in der ganzen Gegend keinen Menschen, der keine Angst vor Paddy hatte. Dann hat er Meg dazu gebracht, zu ihm zurückzukommen. Keine Ahnung, wie ihm das gelungen ist. Wahrscheinlich hat er sie bezahlt und ihr noch mehr versprochen. Und er hat gesagt, sie wäre deine Mutter, also haben das alle anderen auch getan.«
Er wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Er hätte dich ebenfalls umbringen können. Völlig problemlos. Hätte dir den Schädel einschlagen oder dich ersticken können, irgendetwas in der Art.«
»Warum hat er es nicht getan?«
»Weil du ihm wie aus dem Gesicht geschnitten warst«, fuhr Grogin krächzend fort. »Du warst sein genaues Ebenbild. Und ein Mann will einen Erben haben, oder etwa nicht? Ein Mann will einen Sohn. Wenn du ein Mädchen gewesen wärst, hätte er dich vermutlich mit deiner Mutter in den Fluss geschmissen, aber ein Mann will einen Sohn.«
Als sich Roarke von seinem Platz erhob, fuhr Grogin
angesichts dessen, was er in seiner Miene sah, abermals erschreckt zurück. »Und die Bullen, die er in der Tasche hatte, haben dabei einfach mitgemacht?«
»Ihnen hat das Mädchen doch nichts bedeutet.«
»Nein, ihnen hat es nichts bedeutet.« Ein namenloses junges Mädchen, das zu Tode geprügelt und dann achtlos weggeworfen worden war. »Einige Zeit später kam ihre Familie und hat nach ihr gesucht. Man hat mir erzählt, dass ihrem Bruder aufgelauert und dass er verprügelt worden ist. Wer hat das wohl getan?«
»Äh... bestimmt hat Paddy diese Sache selber regeln wollen.«
Das war eindeutig gelogen, merkte Roarke. »Soweit ich mich entsinne, war das genau die Art von Auftrag, die er stets gerne Ihnen gegeben hat.«
Blitzschnell hatte Roarke den Mann an seinem dreckigen Schopf gepackt, unsanft nach vorn gerissen und hielt ihm erneut das Messer an den Hals.
»Woher soll ich jetzt noch wissen, ob es so gewesen ist?« Spucke tropfte Grogin von den zitternden Lippen. »Bei meiner Seele, woher soll ich das jetzt noch wissen? Ich habe derart viele Leute für den Kerl verprügelt, dass ich mich unmöglich an alle erinnern kann. Dafür kannst du mich jetzt doch nicht mehr büßen lassen. Das kannst du doch nicht machen. Das ist doch alles Jahre her.«
Eine lockere Bewegung aus dem Handgelenk würde genügen, überlegte Roarke. Mehr würde er nicht brauchen, damit das Blut dieses Kerls durch die Gegend spritzte. Er spürte, wie sich seine Muskeln schmerzlich danach sehnten, diesen einen leichten Schnitt zu tun.
Er hörte lautes Brüllen von der Straße - sicher irgendeine Schlägerei -, und der Gestank von kaltem Schweiß, frischem Blut und dem Urin, das einen neuen Fleck in seinem Schritt gebildet hatte, drückte Grogins Panik aus. Während eines Herzschlags, während einer Ewigkeit, schnitt die scharfe Klinge kurz in das alte Fleisch. Dann trat Roarke einen Schritt zurück, steckte das Messer in den Schaft seines Stiefels und richtete sich auf.
»Sie sind einen Mord nicht wert.«
Damit ließen sie Grogin schluchzend in seiner eigenen Pisse sitzend alleine.
»Es gab mal eine Zeit, in der hättest du mehr getan, als ihm lediglich den Finger zu brechen«, stellte Brian draußen fest.
»Diese Zeit ist längst vorbei.« Roarke ballte eine Faust und dachte daran, wie befriedigend es sicherlich gewesen wäre, hätte er sie Grogin wie ein Trommelfeuer ins Gesicht gerammt. »Aber wie gesagt, er ist es nicht wert. Schließlich war er nur ein kleiner mieser Handlanger von Patrick Roarke. Aber auf jeden Fall wird er sich erst mal eine Zeit lang fragen, ob ich wohl noch einmal komme und ob es dann eventuell nicht ganz so glimpflich für ihn ausgeht wie heute Nachmittag. Deshalb wird er in den nächsten Nächten kaum ein Auge zutun.«
»Du wusstest bereits das meiste von dem, was er dir erzählt hat.«
»Ich musste es noch einmal hören.« In Dublin war es nicht so heiß wie in New York. Und man sah den Fluss. Den Liffey mitsamt seinen wunderhübschen Brücken, die im Licht der Sonne blitzten. Den Liffey,
in den sie die zerbrochene Hülle der jungen Frau geworfen hatten, die seine Mutter gewesen war. »Ich musste vor mir sehen, was geschehen ist, bevor ich weitermachen kann.«
»Was hast du denn noch vor?«
»Sie hatte Verwandte. Sie leben in Clare. Jemand muss ihnen endlich sagen, was damals mit ihr passiert ist und aus welchem Grund. 0 Gott, Brian. Ich muss zu ihnen fahren und es ihnen sagen, aber
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