Der Hauch Des Bösen: Roman
habe ihn nicht umgebracht, das hörst du sicher gern. Aber ich hätte es gerne gewollt.«
»Geh heute Nacht am besten nirgendwo mehr hin. Versprich mir, dass du in Brians Wohnung bleibst. Betrink dich meinetwegen bis zur Besinnungslosigkeit, aber geh nicht mehr aus dem Haus.«
»Bis morgen gehe ich ganz sicher nirgendwo mehr hin. Aber dann geht’s in den Westen.«
»In den Westen?« Vor ihrem geistigen Auge stiegen ausgedehnte Rinderfarmen, kilometerhohe Berge und lange, leere Felder auf. »Wohin? Etwa nach Montana?«
Er lachte, bis sie die Befürchtung hatte, dass er platzte. »Himmel, ist es etwa ein Wunder, dass ich derart verschossen in dich bin? In den Westen von Irland, meine ach-so-geliebte Eve. Ich fahre morgen
nach Clare. Wahrscheinlich bringen sie mich um, sobald sie mich entdecken, denn schließlich sehe ich genauso aus wie er. Aber trotzdem muss ich hin.«
»Roarke, warum bleibst du nicht noch einen Tag bei Brian? Damit sich die Dinge erst ein wenig setzen. Dann... was zum Teufel war das?«, wollte sie von ihm wissen, als ein lautes Krachen an ihre Ohren drang.
»Ah, Brian ist umgefallen und hat dabei anscheinend einen Tisch und eine Lampe mitgenommen. Liegt flach auf dem Gesicht, das arme Schwein. Ich glaube, ich hebe ihn besser auf und schaffe ihn ins Bett. Ich rufe dich morgen wieder an. Pass gut auf meine Polizistin auf. Ich kann nämlich nicht ohne sie leben.«
»Pass du gut auf meinen betrunken Iren auf. Ohne den kann nämlich ich nicht leben«, antwortete sie.
»Ohne Brian?« Er blinzelte verwirrt.
»Nein, du Trottel. Ohne dich.«
»Oh.« Jetzt grinste er erneut, und zwar derart dämlich, dass sich ihr Hals zusammenzog. »Dann ist es ja gut. Dann sind wir beide quitt. Nacht.«
»Gute Nacht.« Sie starrte auf den schwarzen Bildschirm und wünschte sich, sie könnte einfach ihren Arm ausstrecken und ihn dorthin zurückzerren, wo er hingehörte. Hierher in dieses Haus, zu ihr.
Während der Computer die ersten Vergleichsergebnisse ausspuckte, kamen Peabody und McNab hereinmarschiert. »Summerset ist okay«, erklärte Peabody heiter. »Morgen kommt der Gips ab, und er kann behutsam anfangen zu gehen.«
»Ich bin begeistert. Matthew Brady, Ansel Adams, Jimmy Olsen, Luis Javert. Was sind das für Typen?«
»Jimmy Olsen, Reporter, Daily Planet «, erklärte McNab.
»Sie kennen ihn?«
»Superman, Dallas. Sie müssen sich mehr mit Popkultur befassen. Comics, Computerspiele, Videos. Wissen Sie, Superman ist dieser Held vom Planeten Krypton, der als Baby auf die Erde geschickt wird und...«
»Fassen Sie sich kurz, McNab.«
»Er übernimmt die Rolle des sanftmütigen Reporters Clark Kent und kommt als solcher nach Metropolis zum Daily Planet, einer Zeitung. Jimmy Olsen ist dort einer seiner Kollegen, ein junger Reporter und Fotograf.«
»Fotograf, das passt. Und die anderen?«
McNab zuckte mit seinen schmalen Schultern. »Jetzt haben Sie mich kalt erwischt.«
»Ansel Adams war ein Fotograf«, half Peabody ihm aus. »Mein Vater hat ein paar von seinen Drucken. Überwiegend Naturaufnahmen, wirklich stark.«
»Und Matthew Brady.« Sie wandte sich wieder dem Computer zu. »Ebenfalls ein Fotograf. Das wären drei der vier. Andere Übereinstimmungen bezüglich der Familiennamen oder der Adresse gibt es jedoch nicht. Aber hinter Tür Nummer zwei?«
Ihre Miene wurde hart. »Dort wohnt unser Gewinner. Nicht Luis, sondern Henri Javert, Fotograf. Vor allem durch seine Porträtaufnahmen von Toten bekannt. Erlangte Anfang dieses Jahrhunderts in Paris eine gewisse Popularität. Obwohl die sogenannten
Schattenbilder, wie diese Kunstform genannt wurde, relativ schnell wieder aus der Mode kamen, gilt seine Arbeit als die beste dieses Stils. Werke von ihm hängen im Louvre in Paris, im Image Museum in London und im internationalen Zentrum für Fotografie in New York.
McNab, besorgen Sie mir alles über Henri Javert, was Sie finden.«
»Bin schon bei der Arbeit.«
»Peabody, es gibt ein paar Dutzend Übereinstimmungen bei dem Namen Luis. Grenzen Sie die Zahl so gut wie möglich ein. Kinder«, erklärte sie mit einem bösen Schnauben. »Wir sind ihm auf der Spur.«
Schließlich schickte sie McNab und Peabody ins Gästezimmer, um sich auf dem Gelbett zu vergnügen, arbeitete selber jedoch weiter, bis nicht nur ihre Sicht, sondern auch ihr Denken schwammig wurde. Erst dann kroch sie erschöpft auf die Liege, die in ihrem Arbeitszimmer stand. Noch eine Nacht allein in ihrem breiten Ehebett hielte
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