Der Hauch von Skandal (German Edition)
sonst landen Sie womöglich in Spanien und nicht in Spitzbergen.“ Sie lächelte. „Betrachten Sie sich als entlassen, Lord Grant“, fügte sie zuckersüß hinzu. „Gute Nacht.“
3. Kapitel
M rs Lottie Cummings stand allein im Speisesaal und betrachtete das Chaos, das ihre Gäste hinterlassen hatten. In einer seltenen Anwandlung von Großzügigkeit hatte sie den Bediensteten für den Rest der Nacht freigegeben und ihnen erlaubt, erst am folgenden Tag aufzuräumen und sauber zu machen. Die Kerzen waren gelöscht worden, ein schwacher Rauchgeruch hing in der Luft. Das spärliche Licht, das in den Saal fiel, stammte von der anbrechenden Morgendämmerung, die den Himmel über Londons Osten allmählich rosa färbte. Die Eisskulpturen schmolzen; das Wasser tropfte traurig wie fallende Tränen in die großen Kristallschalen unter ihnen. Lottie fühlte sich deprimiert, auch wenn sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, konnte warum.
Der Abend war ein riesiger Erfolg gewesen, restlos gelungen, und sie wusste, man würde noch in mehreren Monaten darüber reden. Auch ohne den spannenden Streit zwischen Lady Joanna Ware und ihrem vermeintlichen Liebhaber Lord Grant wäre der Ball über alle Maßen unterhaltsam gewesen. Das Essen wie immer erlesen, die Musik vollendet und die Eisskulpturen das Tüpfelchen auf dem i. Lottie fuhr mit dem Finger durch die restliche, mit Rosen aromatisierte Sahne, die in einer Schüssel übrig geblieben war, leckte ihn nachdenklich ab und fragte sich, warum sie das Gefühl hatte, eine Goldmünze gegeben und einen Viertelpenny zurückbekommen zu haben. Sicher, ihr Mann Gregory hatte sich auf dem Ball kaum blicken lassen, aber das tat er schließlich nie. Sie gingen getrennte Wege, und das schon von Anfang an. Sie hatte ihn seines Geldes wegen geheiratet, nicht wegen seiner Persönlichkeit – und das war auch gut so, da er keine Persönlichkeit besaß, wie Lottie fand. Nein, Gregorys Gleichgültigkeit war wirklich nicht der Grund für ihre Niedergeschlagenheit. Sie wollte seine Aufmerksamkeit gar nicht. Sie wollte jedoch die Aufmerksamkeit von einem anderen Mann, von einem aufregenderen, kühneren und insgesamt spannenderen Mann als dem armen alten Gregory.
Zu schade, dass Alex Grant ihr geflüstertes Angebot einer Liaison abgelehnt hatte. Damit hatte Lottie nicht gerechnet, so etwas passierte ihr höchst selten. Ihr war bekannt gewesen, dass Alex als eiskalt galt, aber sie hatte geglaubt, sie wäre genau die richtige Frau, um das Eis zum Schmelzen zu bringen. Nicht einen Moment hatten sie dem dummen Geschwätz anderer, naiver Frauen Glauben geschenkt, er trauere immer noch um seine verstorbene Ehefrau oder ähnlichen Unsinn. Er war schließlich ein Mann, nicht wahr, und als solcher musste er Gelüste haben. Sie hatte gemerkt, wie er Joanna angesehen hatte, und ihr war klar geworden, dass er David Wares reizvolle Witwe begehrte. Aber damit vergeudete er nur seine Zeit. Lottie leckte sich den letzten Rest Sahne vom Finger. Joanna war in der Tat frigide, das arme Mädchen – David hatte ihr dieses Geheimnis anvertraut, als sie eines Tages zusammen im Bett gelandet waren. Nein, Lottie war wirklich weitaus besser geeignet, dem wundervollen Lord Grant zu beweisen, welche Wonnen eine Frau einem schneidigen Abenteurer bereiten konnte. Nur hatte Alex ihre Avancen zurückgewiesen. Er war sehr höflich, ja sogar charmant dabei gewesen, trotzdem war es eine Zurückweisung, und Lottie fühlte sich immer noch gekränkt deswegen. Sie hatte auf der Stelle einen Bediensteten zu Gregory geschickt und ihm ausrichten lassen, er solle auf gar keinen Fall die lächerliche Mexikoreise von Alex’ nichtsnutzigem Cousin finanziell unterstützen. Eine etwas kleinliche Rache, zugegeben, aber sie hatte sich sofort etwas besser gefühlt …
Eine Tür wurde leise geschlossen. Schritte ertönten auf dem Marmorboden des Saals. Lottie drehte sich um. Sie hatte geglaubt, allein zu sein, doch nun sah sie eine hochgewachsene Gestalt auf sich zukommen.
„Ich dachte, Sie wären schon vor geraumer Zeit gegangen“, sagte sie zu James Devlin.
Er schüttelte den Kopf. „Ihr Mann und ich haben uns unterhalten.“
„Und?“, hakte Lottie nach. Hatte der verdammte Gregory sich ihr etwa widersetzt und dem dummen Jungen trotzdem sein Geld angeboten? Sie spürte, wie sich ihr Zorn regte.
Aber Devlin schüttelte erneut den Kopf. „Er wird mich nicht unterstützen. Er meint, das Unterfangen wäre zu riskant.“
„Das tut
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