Der Hauch von Skandal (German Edition)
würden“, fügte Joanna hinzu. „Ich habe nicht damit gerechnet, Sie hier zu sehen.“
„Ich habe ebenfalls nicht damit gerechnet, hier zu sein.“ Alex rückte ihr den Stuhl zurecht. „Also sind wir wohl beide enttäuscht.“ Er drehte sich achselzuckend zu dem Anwalt um. „Da Lady Joanna uns nun endlich mit ihrer Gegenwart beehrt hat, können wir jetzt anfangen?“
„Gern, Mylord“, gab Mr Churchward frostig zurück. Nervös sortierte er seine Papiere und setzte sich eine Brille auf. „Madam …“ Seine Stimme bebte ein wenig, und Alex erkannte, dass er tief bewegt zu sein schien. „Darf ich Ihnen zuerst sagen, wie leid es mir tut, der Überbringer weiterer schlechter Nachrichten im Zusammenhang mit dem Tod Ihres Gatten zu sein. Als wir uns im vergangenen Jahr trafen, um die wirklich bedauerlichen Bedingungen seines Testaments zu besprechen …“ Er verstummte und schüttelte den Kopf. „Es schmerzt mich zutiefst, Ihnen noch mehr Kummer bereiten zu müssen.“
„Mein lieber Mr Churchward“, erwiderte sie mit mehr Wärme in ihrer Stimme, als Alex je von ihr gehört hatte, „ich fürchte, Sie machen mich nervös.“ Sie lächelte den Anwalt an, aber Alex glaubte, ihr einen Hauch von Angst anmerken zu können. „Sie sind in keiner Weise verantwortlich für das Verhalten meines verstorbenen Mannes“, versicherte Joanna. „Bitte seien Sie ganz unbesorgt.“
Als er zwischen der gefasst wirkenden Joanna und dem sichtlich bedrückten Anwalt hin und her sah, fragte Alex sich zum ersten Mal, was wohl in David Wares Testament und in dem Testamentsnachtrag stehen mochte, den er auf Wares Drängen hin den ganzen weiten Weg von der Arktis bis nach London gebracht hatte. Er hatte angenommen, dass sein verstorbener Freund Lady Joanna sein nicht unbeträchtliches Vermögen hinterlassen hatte, damit sie weiterhin den üppigen Lebensstil pflegen konnte, den sie offensichtlich gewohnt war. Das hätte ganz sicher Wares Charakter, seiner Ehre und seinem Pflichtgefühl entsprochen. Doch als er jetzt das finstere Gesicht des Anwalts sah – und sich an Wares Hass auf seine Frau erinnerte –, wurde Alex klar, dass er sich durchaus getäuscht haben konnte.
„Wie lauteten denn die Bedingungen von Wares Testament?“, meldete er sich zu Wort.
Joanna und der Anwalt zuckten zusammen, als hätten sie seine Anwesenheit völlig vergessen. Joanna mied seinen Blick und strich sich fahrig über den Rock ihres Kleides. Mr Churchward wurde rot. „Mylord, ich bitte um Verzeihung, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie das etwas angeht.“
Joanna sah plötzlich auf, und ihr Blick traf Alex mit voller Wucht. „Ganz im Gegenteil, Mr Churchward“, widersprach sie. „Ich könnte mir denken, dass Lord Grant hier ist, weil David ihn irgendwie in meine Angelegenheiten verwickelt hat. Sollte das der Fall sein, hat er das Recht, die Wahrheit in vollem Umfang zu erfahren.“
„Wie Sie wünschen, Madam“, sagte Churchward leicht gekränkt. „Das ist jedoch recht ungewöhnlich.“
„David“, warf Joanna sanft ein, „ war ungewöhnlich, Mr Churchward.“ Sie richtete den Blick wieder auf Alex, holte tief Luft und schien ihre Worte mit Bedacht zu wählen. „Mein verstorbener Mann hat seinen ganzen Besitz seinem Cousin John Hagan vermacht und mich ohne einen Penny zurückgelassen.“ Sie zögerte. „Ihnen ist vielleicht bewusst, Lord Grant, dass Maybole von Davids Marinepreisgeld gekauft worden ist?“ Sie wartete, bis Alex nickte. David Ware hatte als jüngerer Sohn nicht den Familienbesitz geerbt. Er hatte sich in Kent ein Stück Land gekauft und ein protziges Herrenhaus, Maybole, darauf errichtet, in dem Alex nur ein einziges Mal gewesen war. „Sein Arrangement hat mich in große finanzielle Verlegenheit gebracht“, fuhr Joanna fort und strich erneut eine unsichtbare Falte aus ihrem makellosen Kleid. „Er hat mir sein Vorgehen nicht erklärt“, schloss sie, „aber er hatte wohl zweifellos seine Gründe.“
„Zweifellos.“ Alex war entsetzt und verwirrt, dass sein verstorbener Freund so ungalant gewesen war, seine Frau mittellos zurückzulassen. Das sah ihm eigentlich gar nicht ähnlich. Aber hatte Ware nicht angedeutet, er hätte guten Grund gehabt, seiner Frau zu misstrauen? Vermutlich hatte er nur das Minimum für sie geleistet, zu dem er vom Gesetz her verpflichtet war. „Meiner Erfahrung nach besaß Ware eine gute Menschenkenntnis und hat nie etwas ohne Grund getan“, fügte er steif hinzu. „Er muss
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