Der Hauch von Skandal (German Edition)
Widerling.“
„So ist es. Und da ich ihn nicht nur zurückgewiesen, sondern auch noch seinen Stolz verletzt habe, muss ich jetzt schnell handeln, ehe er uns in die Gosse schickt.“
Merryn ließ sich schwer auf das Bett fallen und zerknitterte dabei den edlen Seidenüberwurf. Joanna war so gerührt, weil ihre Schwester ihr zu Hilfe geeilt war, dass sie stillschweigend darüber hinwegsah.
„Hat er damit gedroht?“, fragte Merryn.
„Ja“, meinte Joanna etwas kläglich.
„Dieser Widerling“, wiederholte Merryn. „Und was machen wir jetzt?“
„Ich werde Lord Grant überreden, mich zu heiraten.“ Joannas Herz klopfte rasend schnell, aber sie wusste, dass sie sich zuversichtlich anhörte. Natürlich hörte sie sich so an – sie hatte jahrelange Erfahrung darin, äußerlich die Ruhe zu bewahren, auch wenn sie innerlich völlig aufgewühlt war. Im Moment war ihre Hauptempfindung blankes Entsetzen. Seit ihr der Einfall gekommen war, Alex zu heiraten, hatte sie geschwankt zwischen Angst und … nun ja, noch größerer Angst.
Merryn schnappte nach Luft bei ihren Worten. „Heiraten? Aber du magst ihn ja noch nicht einmal!“
„Das tut nichts zur Sache.“ Sie sprach hastig weiter, um ihre eigenen Zweifel zu unterdrücken und ihre Schwester zu überzeugen. „Sieh dir doch nur all diese Vernunftehen an, die ständig geschlossen werden. Ich will Lord Grant nur wegen seines schützenden Namens heiraten und dazu, Liebes, muss ich ihn nicht unbedingt mögen.“
Merryn starrte sie an. „Aber du hast geschworen, niemals wieder zu heiraten. Du hast gesagt, das wäre das Allerletzte, was du wolltest.“
„Ich habe gelogen. Das Letzte, was ich will, ist das alles hier zu verlieren.“ Sie wies auf das prunkvolle Zimmer mit dem dicken roten Teppich und der erlesenen Einrichtung. „Ich bin sehr oberflächlich“, ergänzte sie, als sie Merryns verständnisloses Gesicht sah. „Dies hier macht mich glücklich.“
„Ein Kind würde dich glücklich machen“, versetzte Merryn, die sich nicht täuschen ließ. „Du tust immer so, als wärst du leichtfertig, Jo, aber das bist du nicht.“
„Doch.“ Joanna lächelte ihre Schwester an. „Sicher, ich gebe zu, dass es mich sehr glücklich machen wird, mich um Nina zu kümmern, aber ich habe nicht vor, mich dafür mit einem Taschengeld zufriedenzugeben. Schließlich habe ich einen gewissen Lebensstil zu wahren.“
Merryn schob störrisch die Unterlippe vor; eine Geste, an die Joanna sich noch aus ihrer Kindheit erinnerte. „Ich weiß, du behauptest gern, egoistisch zu sein, Jo“, meinte Merryn, „aber in Wirklichkeit tust du das alles für Nina und auch für mich, damit wir ein Dach über dem Kopf haben und uns sicher und geborgen fühlen.“
„Da täuschst du dich“, gab Joanna trocken zurück. „Ich tue das ganz allein für mich.“ Trotzdem erwiderte sie Merryns Umarmung und drückte sie einen Moment fest an sich.
„Einen Stolperstein sehe ich allerdings.“ Merryn strich sich das blonde Haar zurück und rieb sich die verdächtig geröteten Augen.
„Ach ja?“ Joanna legte die Stirn in Falten. „Was habe ich vergessen?“
„Dass du Lord Grant nichts anzubieten hast“, erwiderte Merryn. „Es ist ziemlich viel von ihm verlangt, dich nur aus reinem Ehrgefühl und der Verantwortung für Nina heraus zu heiraten.“
Eine Weile schwiegen beide. Merryn saß mit im Schoß gefalteten Händen da und sah ihre Schwester ernst an. Nicht zum ersten Mal fragte sich Joanna, warum sie selbst Zynismus entwickelt hatte, während es Merryn gelungen war, sich ihre Gutgläubigkeit zu bewahren. Joanna vermutete, dass das am schlechten Einfluss der Londoner Gesellschaft auf sie selbst und an ihrer enttäuschenden Ehe mit David lag. Schließlich konnte sie Merryn unmöglich sagen: „Du irrst dich, ich habe Lord Grant mich anzubieten …“ Nein, das konnte sie wirklich nicht aussprechen, Merryn wäre zutiefst schockiert gewesen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, wirkte auch in Joanna immer noch ein Rest – ein winziger Rest – ihrer Erziehung in einem Pfarrhaus nach, denn sie war ebenfalls ein wenig schockiert über sich. Aber Alex konnte ihr das geben, was sie brauchte. Nämlich die nötigen Mittel, um sich um Nina kümmern und den Lebensstil beibehalten zu können, an den sie sich inzwischen so gewöhnt hatte. In diesem Fall war sie bereit, sich selbst im Tausch dafür anzubieten. Ihr Onkel hätte sie wahrscheinlich ein leichtes Mädchen genannt, doch Joanna sah
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