Der Hauch von Skandal (German Edition)
beerdigt, einen Erben hatte er auch, jetzt brauchte er eine vorzeigbare Gastgeberin in Maybole.
Das alles war nun natürlich anders geworden. Joanna wusste, es würde keine weiteren Heiratsanträge von John Hagan geben. Nicht nachdem sie sich jetzt eher als Enttäuschung denn als Bereicherung erwiesen hatte. Er würde sie zwingen, sich anzupassen, und wenn sie sich weigerte, würde er sie verstoßen.
„Cousin John, bitte!“, sagte sie. „Sie wissen, dass ich kein anderes Zuhause habe, ebenso wenig wie Merryn. Das Gleiche gilt für Nina, sobald wir aus Spitzbergen zurückgekehrt sind. Wir sind alle auf Ihre Barmherzigkeit angewiesen!“
Hagan drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Berechnung und Begierde. Joannas Magen krampfte sich zusammen. Ich hätte es besser wissen sollen, dachte sie verbittert. Es hatte keinen Sinn, an seine Güte zu appellieren, wenn er diese Eigenschaft gar nicht besaß.
„Vielleicht …“, begann er langsam und mit so schmieriger Stimme, dass ihm das Öl aus jeder Pore zu triefen schien, „gelangen wir ja zu einer Einigung, was das Kind betrifft – und Ihr Zuhause.“
„Zu einer Einigung“, echote Joanna. Ihr war ein wenig übel. Sie brauchte gar nicht erst zu fragen, was für eine Art von Einigung ihm vorschwebte – sie sah es seinem Blick an. Er war zu ihr zurückgekommen und spielte mit den Bändern ihres Morgenrocks. Joanna wurde von reiner Verzweiflung gepackt. Sie spürte seinen schnellen, warmen Atem an ihrem Hals und musste an David denken, wie er sie mit kalter Grausamkeit genommen hatte. Vor Ekel zog sich alles in ihr zusammen.
„Cousin John …“, begann sie.
„Meine Liebe.“ Hagans Lächeln wirkte gerissen.
„Ich möchte wirklich nicht …“
„Sie möchten wirklich nicht Ihr Zuhause verlieren, nicht wahr?“, murmelte Hagan. „Oder völlig mittellos dastehen. Doch genau das wird passieren, meine Liebe, wenn Sie nicht einsehen, wie sinnvoll es ist, ein wenig netter zu mir zu sein.“
Joanna erstarrte. Wenn sie sich ihm verweigerte, würde sie ihr Zuhause und ihren Platz in der Gesellschaft verlieren. Sie würde gemieden und ausgestoßen sein, kein Geld und keine Gelegenheit haben, welches zu verdienen. Von Davids Verwandten lebten die meisten nicht mehr und hatten ohnehin immer gefunden, er hätte weit unter seinem Stand geheiratet. Von dieser Seite war also keine Hilfe zu erwarten, und ihre eigene Familie war sogar noch ärmer als sie selbst. Lottie würde sie und Merryn sicherlich bei sich aufnehmen, wenn Hagan sie aus dem Haus warf, aber sie war gewiss nicht sonderlich erpicht darauf, auch noch mit Nina zusammenleben zu müssen. Wenn das Kind das erste Mal mit seinen kleinen schmutzigen Händen den Exeterteppich oder die indischen Wandbehänge berührte, würde Lottie ganz sicher einen hysterischen Anfall bekommen.
Während sie noch nachdachte, schob Hagan bereits die Hand in ihren Morgenrock und rieb mit seinen heißen, verschwitzten Händen über ihre Brüste. Joanna spürte seinen feuchten Mund an ihrem Hals. Sie kniff die Augen fest zusammen, als er den Morgenrock öffnete. Sie redete sich angestrengt ein, dass sie das nur über sich ergehen ließ, weil sie Nina nicht nur retten, sondern ihr auch ein sicheres Zuhause bieten wollte, um sie vor denen zu beschützen, die sie sonst ihr Leben lang als Bastard brandmarken würden. Alle ihre verzweifelten mütterlichen Instinkte waren plötzlich wieder erwacht. Sie musste dieses Kind einfach zu sich holen und beschützen. David hatte Nina bereits im Stich gelassen, sie konnte es nicht auch noch tun.
Und doch war der Preis dafür so furchtbar hoch. Ein Schauer durchrann sie. Wer garantierte ihr überhaupt, dass Hagan Wort halten würde, nachdem er sie einmal besessen hatte? Konnte sie sich wirklich von ihm erpressen lassen? Und wenn sie sich weigerte, würde er dann Gewalt anwenden, so wie David es getan hatte? Der Gedanke lähmte sie. Sie musste an Davids Bösartigkeit denken, und ihre Glieder wurden mit einem Mal bleischwer.
Hagan drängte sie jetzt zum Bett. Joanna versuchte, ihren Geist vom Körper zu lösen, und richtete den Blick unverwandt auf den herrlichen Baldachin aus chinesischer Seide, während Hagans gierige Hände über ihren Leib tasteten. Diese Seide war wirklich herrlich, und plötzlich empfand Joanna einen Stich des Verlustes. Sie liebte schöne Dinge. Sie wollte ihr elegantes Zuhause, ihre Gemälde, ihr Porzellan und ihre Zwillingslakaien nicht verlieren und auf
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