Der Hauptdarsteller (German Edition)
und nicht zu dick und Dank des wöchentlichen Yogas hatte ich eine sportliche Figur; auch so war ich nun wirklich nicht hässlich. Meine schulterlangen braunen Haare trug ich stets offen, viele beneideten mich für meine Mähne, aber bis ich die morgens geföhnt hatte, verging einige Zeit. Aber wie das so ist bei uns Frauen, wollen wir immer das, was wir nicht haben und sind unzufrieden mit dem was wir haben. Meine Augen leuchteten hellgrün, wie die meiner Mutter. Man sah uns deswegen immer gleich an, dass wir verwandt waren. Mein Erscheinungsbild fand ich also okay, aber nicht übermäßig hübsch, weswegen ich Michaels Kommentar nicht so ganz nachvollziehen konnte.
Wortlos hatte ich damals meine Kündigung entgegen genommen. Es war mir bewusst, dass er vor keinem Gericht der Welt mit dieser Begründung Recht bekam. Aber ich wollte nicht weiterhin in der Nähe von Mark und seiner Schlampe sein und mir die tägliche Demütigung antun. Daher war es die beste Entscheidung zu gehen, für uns alle.
Im Schlafzimmer holte ich den großen Koffer vom Schrank und fing an meine Klamotten einzupacken. Vom Klingeln des Telefons wurde ich unterbrochen und wusste, dass es nur eine sein konnte, die mich jetzt anrief: “Hallo Mama” ging ich ran. “Kind, war es sehr schlimm?” Es brachen alle Dämme und ich heulte los. “Ja, könnt ihr bitte später kommen und mich und meine Sachen holen? Ich muss aus der Wohnung ausziehen und weiß nicht wohin.” Ein kurzes Schweigen und dann sagte sie: “Aber klar, wir kommen heute Mittag. Du kannst in dein altes Zimmer.” “Danke, hab euch lieb.” Mit diesen Worten legte ich auf und ging wieder ins Schlafzimmer um meine paar Habseeligkeiten weiter zu packen. Dies ging schneller als ich dachte, in Windeseile war ich fertig. Erinnerungen an Mark wollte ich beim besten Willen nicht mitnehmen, aber ich könnte sie zerstören. Der Gedanke fühlte sich gut an. Wie eine Furie ging ich ins Wohnzimmer und zerschlug alle Bilder an der Wand mit dem Schnitzelklopfer, den ich zuvor aus der Küche geholt hatte. Sogar die Glasvitrine mit seinen kindischen Modellautos schmiss ich um. Jedes Teil, das ich zerstörte löste Befriedigung in mir aus. Die Sachen hatte ich weitergepflegt, vermutlich in der Hoffnung, dass er irgendwann wieder zurückkommen würde und wir einfach dort weitermachen, wo wir aufgehört haben, ohne diese Schlampe Eileen.
Mittlerweile war ich an einem Punkt angekommen, an dem ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Und das war auch gut so. Wer einmal fremd geht, tut es immer wieder. Völlig außer Atem hörte ich das Klingeln an der Tür und öffnete sogleich. Es waren meine Eltern. Sie kamen etwas früher als erwartet. Erst jetzt erkannte ich, dass ich die komplette Wohnung zerwüstet hatte. Meine Eltern sahen mich an, als würde eine Außerirdische vor ihnen stehen. Sie konnten nicht gleich etwas zu mir sagen. So hatten sie ihre Tochter wohl noch nie gesehen, was mich zum schmunzeln brachte. Als meine Mutter wieder etwas an Fassung gefunden hatte sagte sie zu mir: ”Kind, hol deinen Koffer, wir gehen.”
Ich hatte wirklich nicht vieles, was ich aus meiner Zeit als Ehefrau mitnahm. Es war lediglich ein Koffer mit Kleidung, den ich aber noch aussortieren musste, weil mich viele Kleidungsstücke an Mark erinnerten. Wenn ich wieder einen Job hätte, würde ich mich komplett neu einkleiden. Mein Vater trug den Koffer durchs Treppenhaus hinunter bis vor die Haustüre, wo die beiden das Auto geparkt hatten. Meine Mutter öffnete den Kofferraum so dass mein Vater den Koffer einpacken konnten. Wortlos schlossen sie ihn wieder und setzten sich ins Auto. Jetzt war der Zeitpunkt der endgültigen
Verabschiedung von meinem alten Leben gekommen. Ich entfernte den Wohnungs- und Haustürschlüssel aus meinem Schlüsselbund und warf die beiden in den Briefkasten. Den Briefkastenschlüssel hatte ich noch an meinem Schlüsselbund und überlegte kurz, ob ich ihn behalten solle, oder ob ich ihn ebenfalls mit in den Briefkasten werfen sollte. Entschied mich dann aber dafür ihn in den Mülleimer vor dem Haus zu werfen. Als eine weitere Genugtuung. Schnurstracks stieg ich auf den Rücksitz des Wagens meiner Eltern ein und blickte nicht mehr zurück.
Kapitel 2
Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir an dem Haus meiner Eltern an. Irgendwie kamen sie mir euphorisch vor. So als würden sie sich freuen, dass die Scheidung endlich durch war und sie ihre Tochter wieder für sich haben. Mein Vater
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