Der Hausflug
Dann zum Eismeer, zum Nordpol – und zum Mond.
Er würde zwar nicht der erste Mensch sein, der den Mond betrat, aber der erste, der mit einem Haus auf dem Mond landet. Alle Welt wird seinen Flug verfolgen, so, wie damals bei Juri Gagarin, der als erster in den Weltraum flog, und wenn er zurückkehrt, wird man ihn wie einen Kosmonauten empfangen, und fortan wird sein Name in den Geschichtsbüchern stehen! Alle Kinder müssen ihn lernen.
Die großen Weltreisenden und Entdecker? fragt der Lehrer, die Arme fliegen in die Höhe, einige schnipsen mit den Fingern, was Herr Neumann absolut nicht leiden kann. Du, Sabine, sagt er. Sabine nennt Vasco da Gama, Bartholomeo Diaz, Christoph Kolumbus, James Cook, Alexander von Humboldt, Nikolas Iwanowitsch Behring, Charles Lindbergh, Juri Gagarin, Neill Armstrong und Jonas Breesemann!
„Eine Frage, Villa“, rief Jonas, „können wir bis zum Mond fliegen?“
„Nein, das schafft so ein Haus nun wirklich nicht.“
„Schade, sehr schade.“
„Nun bist du enttäuscht, was?“
„Nein“, sagte Jonas. Natürlich war er enttäuscht, aber nicht lange. Du darfst nicht zuviel verlangen, rief er sich zur Ordnung, sonst ergeht es dir wie dem Fischer und siner Fru. Die erste Weltumkreisung in einem fliegenden Haus war bestimmt sensationell genug, um ihm einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern. Er stand auf, um sich die Beine zu vertreten.
Auch aus den anderen Fenstern war nur Wasser zu sehen. Wasser und Wolken und ab und zu ein fernes Flugzeug. Er stöberte in den Schränken, doch er fand nichts, was ihn interessierte, und im Bücherbord stand außer einem Lexikon und einem Duden nur Gartenliteratur. Dabei hatte dieses Haus gar keinen Garten. Wozu also „Freude am Garten“ und „Pflanzenschutz im Garten“, „Düngung im Garten“, „Ziergräser im Garten“, „Wühlmaus und Maulwurf im Garten“, „Wohin mit dem Abwasser“… Jonas spürte plötzlich, daß er ganz dringend pinkeln mußte.
Er ging zur Toilette, hob den Deckel – und blickte durch das Loch im Klobecken aufs Meer! Praktisch, dachte er, man pinkelt direkt ins Meer. Und wenn sie über Land flogen? Er mußte laut lachen. Jonas der Regenmacher, der Regengott.
Er hätte nie gedacht, daß Fliegen langweilig sein könnte. Er sah in jede Ecke. In dem kleinen Verschlag unter der Treppe fand Jonas zwischen Besen und Eimern einen Handwerkskasten und in dem Kasten einen Dietrich. Er versuchte vergeblich, die Tür zum Dachboden mit dem Dietrich zu öffnen. Wer weiß, dachte er, was hier oben versteckt ist. Er überlegte, ob er die Tür mit dem Beil einschlagen sollte, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Am Ende machte er etwas Wichtiges kaputt, und sie stürzten ins Meer.
Er ging wieder in die Küche, mischte sich ein Glas Sirupwasser, nahm das Portemonnaie und schüttete sein Geld auf den Tisch: ein Fünfmarkstück, zwei Markstücke, acht Groschen und drei Pfennige. Verdammt wenig für einen Weltreisenden.
Dann starrte er mißmutig aus dem Fenster. Die Welt schien aus nichts als Wasser zu bestehen. Er sah auf dem Globus nach. Bis Island kam nur noch Meer. Und die Gebirge vorhin, das war bestimmt die nördliche Spitze von Schottland gewesen. Morgen, wenn er nach Afrika flog, würde es sicher aufregender. Er begann zu summen: Morgen, Kinder, wird’s was geben.
„Laß das bitte“, sagte Villa. „Es stört mich.“
„Wenn ich summe?“
„Nein, aber dieses entsetzliche Klopfen. Ich denke immer, irgend etwas ist nicht in Ordnung.“
Erst jetzt merkte Jonas, daß er mit dem Fünfmarkstück den Takt an die Fensterscheibe geklopft hatte.
„Entschuldige bitte“, sagte er.
„Du langweilst dich, nicht wahr?“
„Ja“, gestand Jonas. „Es könnte wirklich wieder mal was passieren, aber was?“ Zehn Minuten später wußte er es.
„Tust du mir einen Gefallen, Villa?“ fragte er.
„Wenn es möglich ist.“
„Ist es. Das nächste Mal, wenn uns ein Flugzeug überholt, fliege so dicht wie möglich heran.“
„Und was hast du davon?“ fragte Villa.
Jonas kicherte.
„Wenn wir nur wenige Meter voneinander entfernt sind, machst du uns sichtbar. Wir erscheinen wie ein Geist, mitten in der Luft. Ich möchte erleben, was die für Gesichter machen.“
„Nicht doch“, sagte Villa. „Was soll der Unsinn.“
„Das kannst du wohl nicht?“ stichelte Jonas.
„Ich kann schon…“
„Das glaube ich erst, wenn du es tust. Tust du es? Bitte. Bittebittebittebitte.“
„Nun gut“,
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