Der Hausflug
aber hörte, worüber ich mit ihm sprechen wollte, schüttelte er mitleidig den Kopf.
„Sie haben den weiten Weg umsonst gemacht“, sagte er, „die Geschichte stimmt nicht. Sie stammt auch nicht von mir, sondern von Barny, meinem Co-Piloten. Wir hatten eine kleine Feier im Hotel, und dieser Zeitungsmensch war zufällig dabei. Es wurde viel getrunken, Barny war sternhagelvoll, und da hat er dem Reporter diesen Bären aufgebunden.“
„Es ist also nichts dran an der Geschichte?“ fragte ich.
„Absolut nichts.“ Simmons sah mir fest in die Augen und wandte den Blick nicht ab. „Wie denn auch? Ein fliegendes Haus – pah! Glauben Sie im Ernst, daß es so etwas geben könnte?“
„Ich weiß nicht“, sagte ich, „ich habe mit jemandem gesprochen, der es gesehen haben will, niemand von Ihrer Besatzung – wie erklären Sie sich das?“
„Ganz einfach. Jemand hat die Notiz in der Zeitung gelesen und hält Sie zum Narren.“
„Schade“, sagte ich, „es wäre eine tolle Geschichte gewesen.“
„Eine unglaubliche Geschichte“, meinte er.
Ich fragte Simmons nach anderen Erlebnissen, und jetzt erzählte er bereitwillig. Und trank fleißig auf meine Kosten Wodka. Ich hatte nicht etwa aufgegeben, aber in meinem Beruf muß man wissen, wann man nachhakt und wann man seinen Gesprächspartner erst einmal in Ruhe läßt, um ihn dann später noch einmal zu fragen, am besten ganz unverhofft und überraschend. Die meisten Menschen verraten sich bei dieser Überrumpelungsmethode und rücken doch noch mit der Wahrheit heraus.
Nach dem zehnten Wodka, Simmons erzählte gerade von einem Sandsturm über der Kalahari-Wüste, fragte ich unvermittelt.
„Waren Sie eigentlich sehr wütend? Der Junge in dem fliegenden Haus hat Ihnen doch den Vogel gezeigt, nicht wahr?“
„Und die Zunge herausgestreckt!“ empörte sich Simmons, dann verstummte er schnell und sah mich böse an.
„So leicht fangen Sie mich nicht, mein Bester“, knurrte er. „Ich habe von meinem Sohn gesprochen, verstehen Sie?“
Es brauchte noch eine halbe Flasche Schnaps, bis Simmons mir alles erzählte. Ich mußte höllisch aufpassen, denn er verhedderte sich schon in den Sätzen. Danach ist es so gewesen:
Zuerst hat Barny, der Co-Pilot, das Haus gesehen. Er stößt seinen Kapitän an, bekommt vor Stottern kein Wort heraus, zeigt aufgeregt mit dem Finger auf das Haus, das da mit hoher Geschwindigkeit vor ihrem Düsenflugzeug herfliegt, denn sie können es nur langsam einholen.
„Das muß eine Luftspiegelung sein“, meint der Navigator, „eine Fata Morgana.“
„Unsinn“, widerspricht Simmons, „eine Fata Morgana mitten über dem Meer? Solche Luftspiegelungen gibt es nur über Wüsten, und sie stehen immer auf dem Kopf.“
„Das glaubt uns kein Mensch“, sagt der Co-Pilot, der die Sprache wiedergefunden hat. „Wenn wir das erzählen, wird man denken, wir waren alle betrunken, und man wird uns die Flugerlaubnis entziehen.“
„Oder noch schlimmer“, meint Kapitän Simmons, „man sperrt uns in ein Klapsmühle. Hat jemand einen Fotoapparat bei sich?“
Co-Pilot und Navigator schütteln den Kopf.
„Einer der Passagiere bestimmt“, meint der Co-Pilot.
„Großer Himmel, die Passagiere!“ sagt der Kapitän. Aber ein erfahrener Flugkapitän weiß sich in jeder Situation zu helfen. Simmons greift zum Mikrophon der Bordsprechanlage.
„Achtung, Achtung“, sagt er, „hier spricht der Kapitän. Wenn Sie jetzt links aus den Bordfenstern blicken, meine Damen und Herren, können Sie ein einmaliges Naturschauspiel erleben: wie sich eine Windhose bildet.“
Alle Passagiere starren links aus dem Fenster. Die rechts sitzen, stehen auf und drängen auf die andere Seite, so daß das Flugzeug Schlagseite bekommt, aber Sekunden später hat die Automatik das ausgeglichen.
Die Passagiere zeigen sich gegenseitig irgendein Stück Wolke, von dem sie vermuten, daß sich gerade dort die Windhose bildet, dabei sind es alles ganz harmlose Wolken; keine wird jemals etwas mit einem der rasenden Wirbelstürme, die man Windhose nennt, zu tun haben. So blicken alle angespannt nach links, auch die Stewardessen, niemand sieht das kleine Haus, das gerade an der rechten Seite überholt wird, und Kapitän Simmons verpflichtet die Besatzung, zu niemandem ein Wort von dem Haus zu sagen.
Also hatte ich endlich einen Beweis, daß Jonas seine Geschichte nicht ausgedacht hat? Gar nichts hatte ich. Die Wahrheit wissen und sie beweisen können, ist oft zweierlei.
Am
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