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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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er gemeint. Warum, hatte er nicht erklärt. Das war sicher eines der Dinge, von denen die Erwachsenen glauben, daß ihre Kinder sie nicht verstehen. Wollte Vater doch wieder heiraten?
    Hoffentlich nicht die Ziege Hausmann, ihre Nachbarin, diese scheinheilige, angemalte Petze, die immer wieder fragte, ob sie nicht etwas helfen solle, einkaufen oder die Fenster putzen oder mal für sie kochen. Frau Hausmann war Witwe und würde sich nur zu gerne um sie kümmern. Jonas hoffte, daß Vater überhaupt nicht wieder heiraten wollte. Er fand ihre „Männerwirtschaft“ prima, obwohl er mehr tun mußte als alle seine Schulkameraden – wischen und waschen, kochen und die Haushaltskasse führen –, bis auf Sabine, die mit ihrer Mutter allein lebte.
    Jonas und Sabine stritten sich immer wieder, was besser sei, Männerwirtschaft oder Weiberwirtschaft, einmal hatten sie sich so darüber verzankt, daß jeder eine Vier schrieb, Jonas in Geographie und Sabine in Mathe, weil sie nun nicht mehr nachmittags zusammensaßen und sich bei den Schulaufgaben halfen.
    Damals hatten Frau Merkel und Vater sich schnell zusammengesetzt, um den Kriegszustand zwischen ihren Kindern zu beenden, und seitdem trafen Vater und Sabines Mutter sich öfter, gingen zusammen ins Kino oder auch tanzen; auch Vater fand Frau Merkel „oberprima“, darin waren Vater und Sohn sich einig, aber heiraten sollte Vater sie nicht. Weil Jonas Sabine viel zu gut leiden konnte. Jonas wollte Sabine heiraten, und wenn sie Bruder und Schwester waren, da hatte er sich erkundigt, dann durften sie nicht Mann und Frau werden.
    Bräuers waren zu Hause und riefen Oma ans Telefon.
    „Ich habe schon auf dich gewartet“, sagte sie. „Was ist los?“
    „Ich komme heute nicht.“
    „Es ist doch nichts Schlimmes passiert?“
    „Nein, Oma, ich habe nur bei uns auf der Wiese ein Haus gefunden, das fliegen kann, und da will ich schnell mal nach Afrika.“
    „Was du dir immer ausdenkst!“ Oma kicherte. „Im Ernst, warum kommst du nicht?“
    „Ich fahre ein paar Tage mit Vater weg“, sagte Jonas, „du brauchst also gar nicht erst anzurufen, wir sind nicht zu Hause.“ Ein Glück, daß Oma nicht sehen konnte, wie er rot wurde.
    „Da kommt ihr wohl gar nicht?“
    „Karfreitag. Wir lassen dich doch Ostern nicht alleine.“
    „Na, dann viel Spaß“, sagte Oma, „amüsiert euch gut.“
    Drei Tage Zeit gewonnen! Morgen nach Afrika, Mittwoch hinüber nach Amerika, Donnerstag dann über Japan und China und den Himalaya nach Indien; sie konnten ja nachts nach Europa zurückfliegen, damit er noch vor Vater in Hunsbrück eintraf.
    „Wohin jetzt?“ fragte Villa, als Jonas die Tür hinter sich schloß.
    „Kleiner Abstecher nach Fichtenberg. Ich habe kaum noch was zu essen, ich muß was von zu Hause holen. Mein Geld ist auch beinahe alle.“ Nach dem Telefongespräch besaß Jonas nur noch Pfennige und das Fünfmarkstück.
    Als sie sich Fichtenberg näherten, juckte es Jonas mächtig, offen auf dem Marktplatz zu landen. Später, dachte er, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Sie landeten im Garten. Jonas bat Villa, ein wenig über dem Rasen in der Luft zu schweben, damit das Gras nicht plattgedrückt wurde.
    Er lief ins Haus, nahm ein paar Dosen aus der Speisekammer, Entenfleisch in Aspik, Klopse, Schweinebraten, drei Tüten H-Milch, drei Packungen Reis und vier Flaschen Cola, schnitt sich Stullen ab und ein Stück von der Rauchwurst, dann nahm er sein Sparschwein und steckte zur Sicherheit auch das Sparbuch ein.
    Verdammt und zugenäht! Die Hausmann war nebenan im Garten. Jonas duckte sich hinter die Johannisbeersträucher, doch sie hatte ihn schon entdeckt.
    „Laß dich blicken, Villa“, flüsterte Jonas. Frau Hausmann ließ vor Staunen die Gießkanne fallen und sah mit offenem Mund zu, wie Jonas in sein Haus stieg, ihr vom Fenster aus zuwinkte und abflog. Jetzt mochte sie Vater ruhig petzen, daß sie ihn gesehen hatte, dachte Jonas vergnügt. Ihn und das fremde, das fliegende Haus. Vater würde ihr kein Wort glauben. Aber bestimmt würde sie den Mund halten; sie würde ihren eigenen Augen nicht trauen.
    „Hast du einen bestimmten Wunsch, wo wir übernachten wollen?“ erkundigte sich Villa.
    „Wollen wir nicht die Nacht nutzen und schon nach Süden fliegen? Dann haben wir morgen den ganzen Tag Zeit für Afrika.“
    „Tut mir leid, ich muß ausruhen“, erklärte Villa.
    „Entschuldige“, sagte Jonas, „daran habe ich nicht gedacht. Es war sicher sehr anstrengend für dich

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