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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Unsichtbaren! So hieß das Buch, das er unlängst gelesen hatte, ein Buch voller Gruselgeschichten. Vater hatte ihn ausgelacht, als er fragte, ob so etwas wirklich sein konnte, aber das hier war nicht zum Lachen.
    Langsam tastete sich Jonas die Treppe hinunter, rückwärts, Stufe für Stufe, die Augen auf das Beil gerichtet, das jetzt langsam zu Boden sank und auf der Treppe liegenblieb. Am Fuß der Treppe drehte Jonas sich blitzschnell um und rannte ins Wohnzimmer. Er setzte sich in den Schaukelstuhl, starrte auf die Felswand vor der Fensterscheibe. Ruhe, sagte er sich, nachdenken. Wenn es wirklich ein Außerirdischer war, dann kam er von einem Stern, wo sie den Menschen weit überlegen sein mußten, nicht nur in der Raumfahrt…
    „Stimmt“, sagte der Fremde, „wir sind euch Menschen in vielem sehr weit überlegen.“
    „Und wie seht ihr aus? So ähnlich wie wir?“
    „In meiner Welt ist es ganz anders als hier.“
    „Aber einen Namen hast du doch?“
    „Alle intelligenten Wesen haben Namen“, sagte der andere, „auf welchem Stern sie auch leben. Das ist einer der Anfänge des Denkens, daß man alles benennt.“
    „Und wie heißt du?“
    „Xindyquochall-chll-phrochoch-chlinnoch-phrr.“
    „Um Himmels willen“, stieß Jonas hervor, „das kann ja kein Mensch aussprechen.“
    „Sag weiter Villa zu mir.“
    „Nein, das ist unmöglich. Villa, das mag für ein Haus gehen, nicht aber für einen Gast von einem anderen Stern. Ich werde Xindy zu dir sagen, das hat wenigstens ein bißchen Ähnlichkeit mit deinem Namen, einverstanden?“
    „Einverstanden. Xindy gefällt mir gut. Vor langer Zeit hat schon mal jemand so ähnlich zu mir gesagt, meine – es gibt in den menschlichen Sprachen kein Wort dafür, sagen wir Kinderfrau, das trifft es am ehesten.“
    „Ich möchte dich sehen, Xindy“, sagte Jonas. „Ich will wissen, mit wem ich spreche, das verstehst du doch.“
    „Ja. Und ich bin traurig, daß ich mich nicht zeigen kann.“
    „Warum nicht?“
    „Du würdest meinen Anblick nicht ertragen. Glaube mir, Jonas, ich…“
    Jonas hörte nicht mehr, was der andere noch sagte. Tiefes Entsetzen erfaßte ihn. Das Tier aus dem Traum, dachte er, dieses blaugrüne, schuppige Tier mit dem Stachelschwanz und den langen, faltigen Ohren, den Augen auf Stielen, veilchenblauen Spinnenaugen – war er in der Gewalt dieses Ungeheuers?
    Er wollte aufspringen und wegrennen, kraftlos sank er in den Stuhl zurück. Er konnte ja nicht fortlaufen! Er war hier gefangen. Auf einer winzigen Plattform auf dem höchsten Berg Europas. Kein Mensch konnte ihn aus den Krallen dieses Monsters befreien. Die Felswand begann zu flimmern, verschwamm, ihm wurde schwarz vor Augen, dann fiel er in Ohnmacht.

Das achte

    Gedanken lesen – Menschen sind häßlich
Eine kosmische Katastrophe
     
    Jonas war glücklich. Ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit durchflutete ihn. Er kuschelte sich in das Kissen, drückte den rosa Teddy an sich, der so lange verschwunden gewesen war. Von nebenan kam leise Musik. Mozart, das wußte er, es war eine der Schallplatten, die Vater sonntags auflegte, wenn sie nach dem Mittagessen ihre „musische Stunde“ hielten, nebeneinander in den Sesseln saßen, Musik hörten und lasen.
    Vater saß auf dem Bett und streichelte sein Haar. Oma trat durch die Tür, in der einen Hand den blauweißen Napf voller Erdbeeren, in der andern Hand eine Glasschüssel mit Schlagsahne. Sabine war auch da, sie lehnte am Fenster und drehte ihren Zopf ein, und als sich ihre Blicke trafen, lächelte sie ihm zu, dann steckte sie ihm spöttisch die Zunge heraus. Und jetzt kam Mama! Sie legte die Hand auf Vaters Schulter, setzte sich neben ihn auf das Bett und blickte Jonas zärtlich an.
    „Schön hast du es hier, Jonas Sohnemann“, sagte sie.
    „Ja, unser Sohn“, sagte Vater stolz. „Er ist halt ein Sonntagskind.“
    „Er wurde mit einer Glückshaut geboren“, erklärte Mutter. „Jetzt hat er das schönste Haus der Welt.“
    „Und den besten Freund, den man sich nur denken kann“, ergänzte Vater. „Da kommt er ja.“
    Xindy sah aus wie ein Märchenprinz. Er trug einen purpurroten Samtanzug mit Goldstickerei und weißem Pelzkragen, auf dem Kopf ein blaues Barett mit drei weißen Federn, die langen, faltigen Ohren lagen auf seinen Schultern. Den Kopf hatte Xindy ein wenig schief gelegt, und er sah Jonas treuherzig mit seinen veilchenblauen Augen an. Hatte er wirklich Angst vor Xindy gehabt? Wie konnte man sich vor einem Wesen

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