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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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heute. Könnten wir noch bis zum Gebirge fliegen? Ich habe noch nie oben auf einem Berg übernachtet.“
    „Das sollst du“, versprach Villa. „Auf dem höchsten, den wir finden.“

Das siebente

    Sonnenaufgang über den Alpen
Eingesperrt im Klo
Xindy, das Wesen von einem fremden Stern
     
    Jonas erwachte in tiefer Dunkelheit. Als er sich auf die Seite drehte, um weiterzuschlafen, fiel sein Blick aus dem Fenster. Auf einen Himmel, so schwarz und so voller glitzernder Sterne, wie er noch nie einen Himmel gesehen hatte.
    Leise, um das Haus nicht zu wecken, stand er auf und drückte die Nase an der Scheibe platt. Sterne über Sterne. Über ihm, vor ihm und unter ihm! Sie schienen tatsächlich auf dem höchsten Berg gelandet zu sein. – Jonas hatte die Ankunft nicht erlebt. Er war unterwegs so müde geworden, daß er sich schlafen gelegt hatte.
    Er trat vor die Tür. Eisige Kälte schlug ihm entgegen, traf ihn wie ein Schock, so daß er mit einem Satz zurücksprang und schnell die Tür zuzog. Klar, im Hochgebirge war es kalt, zumal nachts. Bestimmt befanden sie sich weit über der Schneegrenze. Im ewigen Eis.
    Er riß alle Sachen aus dem Rucksack, zog beide Pullover an, zwei Paar Socken, die lange Hose, den Trainingsanzug darüber; Handschuhe, Schal und die dicke Pudelmütze hatte er gestern noch eingesteckt – für die Landung auf dem Himalaya. So gewappnet, ging er wieder hinaus.
    Wo mochten sie sein? Auf dem höchsten Gipfel, wie Villa es versprochen hatte, doch in welchem Gebirge? Die Hohe Tatra, die Alpen? In dieser Finsternis war nicht viel auszumachen; nur der ferne, ausgefranste Rand des Himmels verriet, daß sich das Gebirge weit hinzog.
    Vor der Tür weder Schnee noch Eis: nackter Fels. Vorsichtig tastete Jonas Fuß vor Fuß vorwärts und fand sich nach kaum zwei Metern an einem jähen Abgrund. Das Haus stand auf einer winzigen Plattform dicht unter der spitzen Zacke eines Gipfels, das große Fenster des Wohnzimmers stieß fast an den Felsen.
    Mit den Sohlen immer in Kontakt zum Stein, schlurfte Jonas zum Haus zurück. Er starrte fasziniert in diesen wunderschönen Sternenhimmel. Jetzt schluckte ein dunkelgrauer Schimmer die Sterne am Horizont, wurde schnell breiter, als triebe er Himmel und Sterne vor sich her, dann blitzte in der Ferne ein fahlgelbes Licht auf, ein zweites, drittes… immer mehr, nun auch dunkelrote, orange und leuchtend gelbe Punkte: Die aufgehende Sonne ließ die ersten Strahlen über die Gipfel streifen. Das waren nicht Hunderte, das waren Tausende von Bergen, das mußten die Alpen sein. Und dann stand er hier auf dem Mont Blanc, dem höchsten Berg Europas!
    Kein Wunder, wenn ihm die Kälte in die Wangen biß und jeder Atemzug die Nase zu vereisen drohte. Der Frost kroch sogar durch die zwei Paar Socken und in die gefütterten Handschuhe. Jonas entschloß sich, ins Haus zu gehen. Den Sonnenaufgang konnte er auch vom Fenster aus beobachten.
    An der Tür schien es ihm, als ob Spinnweben seine Haut streiften, nein, als ob er durch eine hauchdünne, unsichtbare Folie mußte, die sich erst ein wenig dehnte, bevor sie ihn durchließ.
    Er stellte den Herd an und setzte einen Topf mit Milch auf; er verspürte Appetit auf warme Milch. Die Herdplatte blieb kalt. Als Jonas es merkte, versuchte er die beiden anderen Platten anzuheizen, vergeblich.
    „Verdammt“, knurrte er laut.
    „Was ist?“ meldete sich Villa.
    „Der Herd geht nicht.“
    „Ist das schlimm?“
    „Ich würde jetzt gerne etwas Warmes trinken“, sagte Jonas.



 
    „Ich habe auch Konserven und Reis eingepackt für die Reise. Du weißt es sicher nicht, Villa, aber wir Menschen brauchen hin und wieder warmes Essen.“
    „Das wußte ich wirklich nicht“, sagte Villa. „Ich werde mal nachdenken, ob ich etwas tun kann.“
    Jonas ging auf die Toilette, schon zum dritten Mal. Die Kälte hatte ihm auf die Blase geschlagen, aber dieses Mal kam er nicht wieder hinaus.
    „Was ist los?“ rief er. „Villa, die Tür läßt sich nicht öffnen!“
    „Warte. Ich bringe das in Ordnung.“
    Es dauerte. Jonas faßte immer wieder an die Klinke, die Tür blieb geschlossen. Das kann doch nicht wahr sein, dachte er, da sitze ich nun auf dem höchsten Gipfel Europas, draußen ist ein Sonnenaufgang, wie ihn kaum ein Mensch je gesehen hat, und ich bin auf dem Klo eingesperrt! Plötzlich sprang die Tür von allein auf.
    „Na, endlich“, sagte Jonas.
    „Der Herd funktioniert jetzt auch“, sagte Villa.
    „Danke schön. Du kannst dich auch

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