Der Hausflug
konnte, hätte Jonas nicht feststellen können. Er sah sich Xindys Raumanzug daraufhin an – nirgends etwas, das wie ein Verschluß aussah.
Der Helm war durchsichtig. Damit er ihm jederzeit ins Gesicht sehen könnte, hatte Xindy erklärt. Er wolle sofort mitbekommen, wenn etwas nicht in Ordnung sei, und er hatte Jonas kleine, flache Metalldosen auf die Brust, die Handgelenke und an die Schläfen geklebt: Kontrollgerät für Herzschlag, Puls, Atem und Gehirnströme.
„Halte dich ganz dicht hinter mir“, sagte Xindy, „wir, sind gleich da.“
„Bist du sicher?“ fragte Jonas. „Wie willst du in dieser Brühe das Raumschiff finden?“
„Das ist kinderleicht, es hat einen Peilsender, der mich automatisch hinführt.“
Jonas erblickte nicht mehr von dem Raumschiff als eine kreisförmige Luke, auch die war mit Schlick und Algen bedeckt. Urplötzlich tat sie sich vor ihnen auf, wie das Tor zu einem Geisterschloß, und fiel hinter ihnen sofort wieder zu.
Ein violetter Schimmer glomm auf, wurde heller, tauchte den engen Raum in fahles Licht. Vor ihnen befand sich eine Tür. Die Luftschleuse, dachte Jonas. In den irdischen Raumschiffen gab es ebenfalls Schleusen, die den Übergang zwischen außen und innen ermöglichten. Bestimmt würde jetzt das Wasser hinausgepumpt und chlmische Luft hinein. Als das Licht in hellem Blau strahlte, ging die Tür auf.
Sie betraten einen kaum größeren Raum, in dem mehrere Skaphander hingen, allesamt für Astronauten vom Chlm bestimmt, wie die herabhängenden Schwanzhüllen erkennen ließen. Die Raumanzüge der toten Astronauten? Jonas zählte: siebzehn. Warum hatte Xindy sie hier hängen lassen, sie mußten ihn doch jedesmal an seine toten Kameraden erinnern!
„Gerade deshalb“, sagte Xindy. „Damit ich immer an meine Verpflichtung denke, das Raumschiff zum Chlm zurückzubringen. Komm weiter.“
„Willst du nicht den Skaphander ablegen?“
„Ich behalte ihn lieber an“, sagte Xindy. „So wird dir meine Gegenwart leichter fallen.“
„Wieso?“ fragte Jonas erstaunt. „Ich weiß doch, wie du aussiehst.“
„Es ist ein großer Unterschied, ob man ein Bild, gar ein Traumbild sieht oder die Wirklichkeit.“
„Was denkst du von mir!“ empörte sich Jonas. „Du bist mein Freund, da werde ich wohl deinen Anblick ertragen!“
„Wenn du meinst…“ Xindy fuhr mit der Fingerspitze um seinen Hals. Der Skaphander öffnete sich, sobald er ihn berührte. Xindy nahm den Helm ab, behielt ihn jedoch abwartend in der Hand und blickte Jonas aufmerksam an.
Ja, es war ein gewaltiger Unterschied zwischen Bild und Wirklichkeit, das mußte sich Jonas eingestehen. Der wirkliche Anblick war viel schwerer zu ertragen. Einen Augenblick befürchtete Jonas sogar, er müsse sich übergeben, so würgte es ihm in der Kehle. Es lag weniger an den großen, schlappen, lederartigen Ohren oder den Facettenaugen, die auf ihren Stielen offensichtlich nie ganz stillstanden, immer ein wenig rotierten, sondern es war diese fremdartige, absolut ungewöhnliche blaugrüne Schuppenhaut, die Xindys Gesicht bis auf die Nasenlöcher und die schmalen hellrosa Lippen bedeckte.
Du mußt dich daran gewöhnen, dachte Jonas. Er ist dein Freund. Und dein Anblick ist für Xindy nicht weniger befremdlich. Er hob die Hand, legte sie bedächtig und vorsichtig an Xindys Wange, streichelte sie. Er war erstaunt, daß er trotz des Skaphanders so viel Gefühl in den Fingern besaß. Xindys Haut fühlte sich sanft und weich an, von den Schuppen war so gut wie nichts zu spüren. Xindy hielt ganz still, erst als Jonas die Hand wieder abzog, lächelte er. Sein Lächeln war durchaus menschlich. Wenigstens in diesem Punkt glichen sie einander.
Xindy zog mit dem Finger einen Strich über die Vorderseite des Raumanzuges, der öffnete sich und fiel zu Boden. Er trug unter dem Skaphander einen weißen, seidig glänzenden, hochgeschlossenen Anzug, aus dem nur der Kopf herausragte und die Hände, die Xindy jetzt einladend zur Seite streckte, die Finger weit geöffnet.
„Sei mein Gast. Leider kann ich dich nicht mit Chlch bewirten, wie es bei uns der Brauch ist. Übrigens, Jonas, das habe ich dir noch nicht erklärt, wenn du Durst hast, in deinem Helm ist links ein Trinkrohr, das du bequem mit dem Mund erreichen kannst. Sirupwasser. Ich hoffe, die Mischung ist richtig.“
Jonas probierte es gleich aus.
„Sehr gut“, sagte er. „Vielleicht lernst du auch noch irdisch kochen? Mein Leibgericht sind Spaghetti mit Mailänder
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