Der Hausflug
würden sicher eingehen, bevor er wieder nach Hause kam.
Die größte Überraschung erwartete Jonas, als er zum Schluß an die Duschkabine ging. Ein Hecht blickte ihn an, so groß, wie Jonas noch nie einen Fisch gesehen hatte. Der Hecht schien bereits in den letzten Zügen zu liegen, er lag ganz still, zuckte nur ein wenig mit der Schwanzflosse und schnappte verzweifelt nach Luft. Nach Wasser, korrigierte sich Jonas.
Dem Fisch mußte ganz schnell geholfen werden, sonst krepierte er. Doch das war leichter gedacht als getan.
Jonas nahm alle Kräfte zusammen, schleppte den riesigen Hecht zur Haustür, die stachligen Flossen piekten durch das Hemd, rissen die Haut an Brust und Bauch auf. Und an den Armen. Nicht loslassen, Zähne zusammenbeißen und weiter! Wer weiß, ob er die Kraft hatte, den Fisch noch einmal hochzuheben. Mühsam schaffte Jonas es bis zur Haustür. Der Hecht wurde mit jedem Schritt schwerer, sein Schwanz schleifte schon über den Fußboden. Und die Tür war zu!
„Xindy“, rief Jonas. „Mach die Tür auf. Siehst du denn nicht, daß ich diesen Riesenfisch nicht länger halten kann?“
„Wenn ich nicht im Haus bin, kann ich dich auch nicht sehen“, sagte Xindy. Aber die Tür sprang auf. Jonas erschrak, als er sah, wie tief unten das Meer lag. Der Hecht würde den Absturz nicht überleben.
„Tiefer“, schrie Jonas. „Flieg das Haus tiefer. Schnell.“
Das Haus sank so schnell, daß es Jonas schwarz vor Augen wurde. Oder war das die Anstrengung? Er konnte kaum noch atmen, Schweiß rann in Strömen über seine Wangen. Jonas ließ erst los, als das Haus dicht über dem Meer angelangt war. Er gab dem Hecht einen Schubs mit dem Bauch, daß er aus der Tür flog. Das Wasser spritzte hoch auf, als der Fisch in die Ostsee klatschte. Jonas sah ihm nach, sah, wie er ohne Regung in die Tiefe sank. Doch, jetzt bewegte er die Schwanzflosse. Erleichtert atmete Jonas auf. Die Mühe war nicht umsonst gewesen.
„Das hast du gut gemacht“, sagte Xindy. „Das Haus ist wieder in Ordnung. Es hatte sich bei der Landung auf dem Berg den Boden aufgeschrammt.“
„Ich bin auch ganz zerschrammt“, keuchte Jonas.
„Leg dich aufs Bett und schließ die Augen“, sagte Xindy. Ja, das war ein guter Rat. Jonas schlurfte ins Schlafzimmer. Die Beine waren weich wie Pudding, alle Glieder taten ihm weh. Er lag kaum auf der Matratze, da war er schon eingeschlafen.
Er erwachte aus einem verrückten Traum. Er hatte geträumt, daß er mit Xindy durch die sieben Weltmeere geritten sei, tief unter der Wasseroberfläche, auf dem Rücken eines Hechtes, der so groß war wie ein Buckelwal und ihnen die Wunder der See gezeigt hatte: fliegende Fische und tauchende Vögel, Quallen, Muscheln und Polypen, Kraken, Krebse und Korallen. Jonas kannte sie alle, nicht nur Flundern und Heringe, Dorsch und Kabeljau, auch den vier Millionen Jahre alten Pfeilschwanz und den anderthalb Meter langen, durchsichtigen Venusgürtel, die Seeanemonen, die wie Blumen aussehen, aber Tiere sind, und die Seepocke, den am Boden festgewachsenen Krebs, afrikanische Schmetterlingsfische und den amerikanischen Antennenfisch, der seine Beute in Bruchteilen einer Sekunde verschlingt, Seeigel und Seepferdchen, die leuchtenden Fische der Tiefsee und den größten aller Fische, den weißgefleckten Walhai, auch die Delphine und Robben, Wale und Walrosse, die zwar wie Fische aussehen, aber doch Säugetiere sind und Luft atmen müssen… Xindy staunte, wie viele und wie verschiedene Meeresbewohner es auf der Erde gab. Besonders freute er sich über die Teleskopfische, deren Augen wie die seinen auf Stielen aus dem Kopf ragen. Er hatte sogar versucht, mit ihnen zu sprechen, doch sie antworteten ihm nicht. Dann hatten sie sich an Land bringen lassen.
In einem großen Hafen machten sie den Hecht zwischen zwei mächtigen Tankern am Pier fest. Die Kais standen voller Menschen. Hunderttausende mußten das sein, die sich da Kopf an Kopf drängten, um sie zu empfangen. Kapellen spielten, dicke Trauben von Luftballons wurden in die Luft gelassen, wolkendichte Schwärme von Brieftauben stiegen auf, und die Menschen jubelten, als Jonas und Xindy Hand in Hand an Land stiegen.
Vater stand mit Oma und Sabine direkt vor ihnen. Vater hielt Xindy die Hand hin und zog ihn hoch, und Xindy drückte Vater an sich. Es sah komisch aus, wie Vater in den riesigen Armen verschwand, er reichte gerade an Xindys Bauch. Sabine machte einen tiefen Knicks und Oma ließ sich von Vater auf die
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