Der Heckenritter von Westeros
und breit, hatte einen eigenartig spitzen Kopf, was ihr Haar nicht ganz verbergen konnte. Ihre Nase war zu groß, ihr Mund zu klein. Sie besaß zwei Augen, wie er mit Erleichterung feststellte, doch längst hatte er jeden Gedanken an höfliche Komplimente vergessen. »Ser Konstans bat mich, mit Euch über die jüngsten Schwierigkeiten an Eurem Damm zu sprechen.«
Sie blinzelte. »Am … Damm, sagt Ihr?«
Eine Menschentraube versammelte sich um sie. Dunk spürte die unfreundlichen Blicke. »Der Fluss«, sagte er, »das Gescheckte Wasser. Mylady haben einen Damm gebaut …«
»Oh, das habe ich ganz bestimmt nicht«, erwiderte sie. »Ich war doch den ganzen Morgen bei der Andacht, Ser.«
Dunk hörte Ser Lukas kichern. »Ich wollte nicht sagen, dass Mylady den Damm persönlich gebaut haben, nur dass … ohne Wasser wird unsere Ernte verderben … bei den Bauern stehen Bohnen und Gerste auf dem Feld und Melonen …«
»Tatsächlich? Ich mag Melonen sehr.« Ihr kleiner Mund verzog sich zu einem fröhlichen Bogen. »Welche Sorte Melonen?«
Dunk blickte unbehaglich in den Kreis der Gesichter und spürte, wie sein eigenes heiß wurde. Hier stimmt doch etwas nicht. Langzoll hält mich zum Narren. »M’lady, könnten wir unser Gespräch vielleicht an einem … ruhigeren Ort fortsetzen?«
»Ein Silberstück darauf, dass der große Dummkopf sie ins Bett kriegen will!«, scherzte jemand, und um sie herum erhob sich Gelächter. Die Lady duckte sich, halb vor Furcht, halb vor Scham, und hob beide Hände schützend vors Gesicht. Eine der Septas trat rasch an ihre Seite und legte ihr tröstend den Arm um die Schulter.
»Was gibt hier Anlass zur Belustigung?« Kalt und fest schnitt eine Stimme durch das Gelächter. »Will denn niemand den Scherz mit mir teilen? Ser Ritter, weshalb belästigt Ihr meine Schwägerin?«
Es war das Mädchen, das er zuvor beim Bogenschießen gesehen hatte. Sie trug einen Köcher Pfeile an der Hüfte und hielt einen Langbogen, der so groß war wie sie selbst, was nicht viel heißen wollte. Wenn Dunk knapp über zwei Meter groß war, so erreichte sie nicht ganz anderthalb Meter. Er hätte ihre Hüfte mit den Händen umfassen können. Das rote Haar hatte sie zu einem Zopf gebunden, der ihr bis hinter die Oberschenkel fiel, und sie hatte ein Grübchen am Kinn, eine Stupsnase und Sommersprossen auf den Wangen.
»Vergebt uns, Lady Rohanne.« Bei dem Sprecher handelte es sich um einen hübschen jungen Lord, der den Kaswell-Zentauren auf dem Wams trug. »Dieser große Hornochse hier hat Lady Helicent für Euch gehalten.«
Dunk blickte von einer Lady zur anderen. » Ihr seid die Rote Witwe?«, platzte es aus ihm heraus. »Aber Ihr seid zu …«
»Jung?« Das Mädchen warf den Langbogen dem schlaksigen Burschen zu, mit dem Dunk sie beim Bogenschießen gesehen hatte. »Ich bin fünfundzwanzig, wie es der Zufall will. Oder wolltet Ihr klein sagen?«
»… hübsch. Ich wollte hübsch sagen.« Dunk wusste nicht, wie ihm das Wort in den Sinn kam, aber er war froh darüber. Ihm gefiel ihre Nase, ihr rotblondes Haar und auch die kleinen, doch wohlgeformten Brüste unter dem Lederwams. »Ich dachte, Ihr wäret … Ich meine … Es heißt, Ihr seid bereits vierfache Witwe, daher …«
»Mein erster Gemahl starb, als ich zehn war. Er war zwölf, der Knappe meines Vaters, und er wurde auf dem Rotgrasfeld niedergeritten. Meine Männer verweilen nie lange bei mir, fürchte ich. Der letzte ist im Frühling gestorben.«
Das sagte man stets über diejenigen, die während der Großen Frühlingsseuche vor zwei Jahren gestorben waren. Er ist im Frühling gestorben. Viele Zehntausend waren im Frühling gestorben, darunter ein weiser alter König und zwei junge vielversprechende Prinzen. »Ich … ich möchte Euch mein Beileid für Eure Verluste aussprechen, M’lady.« Ein Kompliment, du Dummkopf schenk ihr ein Kompliment. »Ich wollte sagen … Euer Kleid …«
»Kleid?« Sie schaute zu ihren Stiefeln und ihrer Hose hinunter, an dem lockeren Leinengewand und dem Lederwams. »Ich trage kein Kleid.«
»Euer Haar, meinte ich … Es ist so weich und …«
»Und woher wollt Ihr das wissen, Ser? Falls Ihr mein Haar jemals berührt hättet, sollte ich mich daran doch erinnern können.«
»Nicht weich«, sagte Dunk jämmerlich, »rot, meinte ich. Euer Haar ist sehr rot.«
»Sehr rot, Ser? Oh, nicht so rot wie Euer Gesicht, hoffe ich.« Sie lachte, und die Umstehenden lachten mit ihr.
Alle außer Ser Lukas Langzoll.
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