Der Heckenritter von Westeros
schwarzen Augen herunter und krächzten ihn an. Wenigstens bin ich nicht blind.
Er befand sich im Turm eines Maesters. Die Wände standen voller Regale mit Kräutern und Tränken in irdenen Gefäßen oder Fläschchen aus grünem Glas. Ein langer Tisch neben ihm war mit Pergamenten, Büchern und eigenartigen Bronzewerkzeugen bedeckt, die sämtlich mit dem Kot der Raben verdreckt waren. Er hörte, wie die Raben miteinander flüsterten.
Sich aufzusetzen erwies sich sogleich als schwerer Fehler. Ihm wurde schwindlig, und sein linkes Bein schmerzte höllisch, sobald er es nur leicht belastete. Der Knöchel war in Leinen gewickelt, sah er, und auch Brust und Schultern waren mit Leinen verbunden.
»Liegt still.« Über ihm erschien ein Gesicht, jung und spitz, mit dunkelbraunen Augen und einer Hakennase. Dunk kannte das Gesicht. Der Mann, dem es gehörte, war in Grau gekleidet und trug eine Kette locker um den Hals, die Kette eines Maesters, die aus vielen Metallen besteht. Dunk fasste ihn am Handgelenk. »Wo …?«
»Kaltgraben«, sagte der Maester. »Ihr wart zu schwer verletzt, um nach Trotzburg zurückzukehren, daher befahl Lady Rohanne uns, Euch hierherzubringen. Trinkt dies.« Er setzte Dunk einen Becher mit … etwas … an die Lippen. Der Trank schmeckte bitter, aber wenigstens spülte er den Blutgeschmack fort.
Dunk zwang sich, den Becher zu leeren. Anschließend ballte er die Finger der Schwerthand zur Faust, dann die der anderen. Wenigstens sind meine Hände noch heil und meine Arme. »Was … was ist verletzt?«
»Was nicht?« Der Maester schnaubte. »Ein gebrochener Knöchel, ein verstauchtes Knie, ein gebrochenes Schlüsselbein, Prellungen … Euer Oberkörper ist überwiegend grün und blau, Euer rechter Arm ist fast schwarz. Ich fürchtete schon, der Schädel wäre ebenfalls gebrochen, doch da habe ich mich wohl getäuscht. Quer über Euer Gesicht habt Ihr einen Schnitt, Ser. Der wird eine Narbe hinterlassen, fürchte ich. Ach, und Ihr wart ertrunken, als wir Euch aus dem Wasser zogen.«
»Ertrunken?«
»Ich hätte nie geglaubt, dass ein Mann so viel Wasser schlucken kann, nicht einmal ein Mann von Eurer Größe, Ser. Schätzt Euch glücklich, dass ich von den Eisenmännern abstamme. Die Priester des Ertrunkenen Gottes wissen, wie man einen Mann ertränkt und wie man ihn zurückholt, und ich habe ihren Glauben und ihre Sitten studiert.«
Ich bin ertrunken. Dunk versuchte sich abermals aufzusetzen, allerdings fehlte es ihm an Kraft. Ich bin in Wasser ertrunken, das mir nicht einmal bis zum Hals reichte. Er lachte, dann stöhnte er vor Schmerz. »Ser Lukas?«
»Tot. Habt Ihr daran gezweifelt?«
Nein. Dunk zweifelte an vielen Dingen, nur daran nicht. Er erinnerte sich, wie am Ende die Kraft aus den Gliedern Langzolls gewichen war, ganz plötzlich. »Ei«, brachte er hervor. »Ich brauche Ei.«
»Hunger ist ein gutes Zeichen«, sagte der Maester, »aber erst einmal müsst Ihr schlafen, nicht essen.«
Dunk schüttelte den Kopf und bedauerte es umgehend. »Ei ist mein Knappe …«
»Tatsächlich? Ein tapferer Bursche und viel stärker, als er aussieht. Er hat Euch aus dem Fluss gezogen und uns geholfen, Euch aus der Rüstung zu schälen. Dann ist er auf dem Karren mitgefahren, auf dem wir Euch hergebracht haben. Er wollte nicht schlafen, sondern saß neben Euch und hielt Euer Schwert auf dem Schoß, falls jemand versuchen sollte, Euch etwas anzutun. Er hat sogar mich verdächtigt und darauf bestanden, dass ich alles selbst probierte, ehe ich es Euch einflößte. Ein seltsames Kind, aber aufopfernd treu.«
»Wo ist er?«
»Ser Konstans hat den Jungen gebeten, ihm bei der Hochzeit aufzuwarten. Sonst hatte er niemanden an seiner Seite. Es wäre unhöflich gewesen, sich zu verwehren.«
»Hochzeit?« Dunk begriff nicht.
»Ihr könnt das nicht wissen. Kaltgraben und Trotzburg haben sich nach Eurem Kampf ausgesöhnt. Lady Rohanne erbat die Erlaubnis vom alten Ser Konstans, sein Land zu durchqueren und Addams Grab zu besuchen, und er gewährte ihr die Bitte. Sie kniete vor den Brombeeren und weinte, und er war so gerührt, dass er zu ihr ging und sie tröstete. Die ganze Nacht redeten sie über den jungen Addam und den edlen Vater von Mylady. Lord Wyman und Ser Konstans waren bis zur Schwarzfeuer-Rebellion enge Freunde gewesen. Mylord und Mylady wurden heute Morgen in Kaltgraben von unserem guten Septon Sefton getraut. Konstans Osgrau ist nun Lord von Kaltgraben, und sein gescheckter Löwe flattert neben
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