Der Heiler
Ballerspiel auf ihrem Handy vertiefte.
Ich stieg eine Wendeltreppe zur dritten Etage hoch, vorbei an einem Café in der zweiten Etage, in dem ich vor langer Zeit, in meinem früheren Leben, manchmal stundenlang bei einer einzigen Tasse Kaffee gesessen und geredet hatte.
Die Glastür zur dritten Etage war verschlossen, so dass ich die Klingel betätigte, die mit einem Schild versehen war: Bitte nur einmal klingeln â wir hören gut. Ich tat wie gewünscht und hoffte natürlich, dass wirklich jemand gut hören würde.
7 Manchmal erinnert man sich richtig.
Lauras Haare waren immer noch lang, dunkel, ganz leicht gelockt und umrahmten, durch einen Mittelscheitel geteilt, ihr blasses, fast weiÃes Gesicht. Ihre hohen Wangenknochen und etwas zu vollen Lippen gaben ihrem Gesicht etwas Südländisches, verstärkt durch die braunen Augen und die langen dunklen Wimpern.
Laura wirkte immer noch wie ein stolzes Rätsel. Ich erinnerte mich gut, wie ich mir einst gewünscht hatte, dieses Rätsel zu lösen.
»Muss ich sagen, dass das eine Ãberraschung ist?« Ihre Stimme war immer noch tief, und sie hallte in dem stillen Treppenhaus.
»Keine Ahnung, wie man es sonst nennen könnte.«
»Wollen wir gleich an der Tür anfangen zu streiten oder kommst du erst mal rein, und wir streiten dann?«
Ich musste unwillkürlich lächeln. »Ich bin nicht gekommen, um zu streiten«, sagte ich. »Danke, dass wir uns treffen können und du Zeit für mich hast.«
Jetzt lächelte auch Laura, ihr Lächeln war vorsichtig und zurückhaltend. »Jedenfalls schön, dich zu sehen.« Sie winkte mich herein und vergewisserte sich, dass die Tür hinter mir ins Schloss fiel.
Laura war genauso zeitlos gekleidet wie früher: ein eleganter grauer Pullover, dessen üppiger Kragen in mehreren Wellen nach unten fiel, ein langer Tweedrock und hohe, hellbraune Lederstiefel, deren Absätze sie gröÃer machten, so dass sie mich überragte.
Am Ende des Flurs hatte sie ein kleines Büro, an den Wänden standen Regale, die sich unter der Last von Büchern, Papierstapeln und Zeitungen bogen. Es gab ein einziges, schmales Fenster, durch das man einen Streifen Wand vom Haus gegenüber sah. Schwer vorstellbar, dass selbst eine ehrgeizige Literaturprofessorin diesem Ausblick etwas abgewinnen konnte.
Laura setzte sich in ihren Bürostuhl, der eine flexible Rückenlehne hatte und sie aufnahm wie ein SchoÃ. Ich lieà mich auf der zweiten Sitzgelegenheit im Raum nieder: dem kürzesten Stoffsofa, das ich je gesehen hatte. Obwohl wir so weit auseinander saÃen, wie es die RaummaÃe zulieÃen, betrug die Entfernung zwischen unseren Gesichtern höchstens anderthalb Meter.
Laura sah mich an, ihre braunen Augen waren offen und neugierig. »Du bist Lyriker geworden.«
Ich antwortete nicht sofort, sah sie nur an, und dabei fiel mir wieder ein, wie einfach das war: sie anzustarren und darauf zu warten, dass sie ihr Geheimnis preisgeben würde. Sofern es je ein Geheimnis gegeben hatte. AuÃer natürlich in meiner Phantasie.
»Du bist Literaturprofessorin geworden, ganz wie es kommen musste. Du warst immer einen Tick zielstrebiger als andere, wie zum Beispiel ich.«
»Deinen Sarkasmus hast du nicht verloren«, sagte sie.
Ich kam nicht dagegen an. Laura verwirrte mich nach wie vor mit ihren raschen Antworten. Und noch etwas anderes geschah. Beim Anblick meiner verflossenen Liebe begriff ich, wie sehr ich mich nach der jetzigen sehnte.
»Entschuldige«, sagte ich. »Ich meinte ganz ehrlich, dass ich mich für dich freue.«
»Danke.« Sie wandte sich ab. »Jüngste Literaturprofessorin aller Zeiten«, sagte sie. »Für mich als Frau war es nicht leicht.«
»Kann ich mir vorstellen«, pflichtete ich ihr bei.
»Ganze ohne Ellenbogen ging es nicht«, sagte sie. »Aber das weiÃt du wahrscheinlich noch. Spitze Ellenbogen. Buchstäblich.«
Ich lächelte zur Bestätigung. Wie schmerzhaft die Erinnerung allerdings war, verriet ich mit meinem Lächeln nicht. Den Diamantring an ihrem linken Ringfinger hatte ich bereits bemerkt und deutete jetzt mit einem Nicken hin.
»Du bist verheiratet.«
Sie sah den Ring nicht an. »Samuli ist vor einem Jahr gestorben. An Tuberkulose.«
»Das tut mir leid.«
»Wir haben einen Sohn, Otto, dreizehn Jahre alt.«
»Schön,
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