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Der Heiler

Der Heiler

Titel: Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antti Tuomainen
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sagte sie. »Trotz allem.«
    Ich sah sie an, sagte: »Ich dich auch.«
    Sie lächelte immer noch. »Wahrscheinlich ist es sinnlos, darüber nachzudenken, ob alles hätte anders laufen können, im Kleinen wie im Großen«, sagte sie.
    Â»Es ist so, wie es ist«, sagte ich.
    In ihren Augen spiegelte sich jetzt eine Wärme, die ich vor zwanzig Jahren so unendlich vermisst hatte. »Ihr seid glücklich.«
    Â»Sehr«, gab ich zu.
    Â»Ich freue mich für dich.«
    Â»Danke.«
    Als ich weiter nichts sagte, holte sie Luft. »Tarkiainen also.«
    Sie erzählte von dem Mann, und ich hörte zu, ohne sie zu unterbrechen. Der Verlauf seiner Persönlich­keitsentwicklung war mir bereits aus Elinas Bericht bekannt: erst hoffnungsvoller Aktivismus, dann einspurige Radikalisierung, schließlich enttäuschter Rückzug. Wohin, das wusste Laura nicht, und ich klärte sie nicht auf.
    Laura hatte Tarkiaianen am Ende ihres Studiums kennengelernt, als das Wissen um den Ernst der Klimaveränderung vorübergehend die Menschen vereinte und den Rahmen schuf für das Entstehen vieler wunderbarer und gutgemeinter Vereine, Organisationen und Parteien.
    Â»Aber wie wir jetzt wissen«, resümierte Laura, und ich merkte, dass sie sich dabei eine Spur erregte, »war der Zusammenhalt nur vorübergehend. Am Ende siegte das Interesse der Großunternehmer, mit anderen Worten das Interesse von ein paar Tausend ohnehin schon superreichen Menschen, und zwar wieder mal unter dem Deckmantel eines Wirtschaftswachstums zum Nutzen der Allgemeinheit. Unterstützt wurde die Rückkehr zum alten Verhalten noch dadurch, dass die Leute das vorübergehende Maßhalten und den Konsumverzicht leid waren und wieder so leben wollten wie vorher: ­egoistisch, gierig und verantwortungslos – so wie sie es ­gelernt hatten. So wurden langfristig angelegte Umweltstrategien fallen gelassen. Stattdessen gab es immer größere Häuser, immer neuere Autos und breitere Flachbildfernseher, mit den Jahreszeiten wechselnde neue Wohnungseinrichtungen, neue Technik und Elektronik, neue Mixer, Toaster, Mos­ter und Froster sowie natürlich die wöchentlich auszutauschende Garderobe. Und all das musste billiger zu haben sein als je zuvor. Was wiederum die Spirale der Vernichtung noch mehr beschleunigte.«
    Ich wollte Laura nicht unterbrechen und ihr sagen, dass sie meiner Meinung nach die Dinge vereinfachte und überspitzte. Mir war klar, dass sie das selbst wusste. Vielleicht musste sie nur mal bei jemandem ihren Frust abladen, warum also nicht bei mir. Gleichzeitig hoffte ich ganz egoistisch, dass sie sich bald um mein Anliegen kümmern würde.
    Sie holte Luft und kehrte zu Tarkiainen zurück, dem charismatischen Studenten, der vor fünfzehn Jahren ein wenig wie der junge Ministerpräsident Alexander Stubb ausgesehen hatte. Sie erzählte, dass sie sich der von ­Tarkiainen gegründeten Aktivistengruppe junger Akademiker angeschlossen hatte. Ursprüngliches Ziel war es gewesen, eine neue, politisch unabhängige Volksbewegung zu schaffen, aber Tarkiainen hatte sich schnell verändert. Er hatte Radikale kennengelernt, die auf direkte Aktionen setzten. Laura konnte sich vorstellen, dass er auch selbst bei einigen Anschlägen dabei ge­wesen war. Auf jeden Fall hatte er sich der extremen, ­militanten ­Klimabewegung angeschlossen, deren Motto war: Wenn du auch nur im Geringsten für Konsum und Umwelt­verschmutzung bist, dann bist du hundertprozentig gegen uns. Er war also rasch aus der Aktivistengruppe verschwunden, der Laura zu diesem Zeitpunkt noch angehörte.
    Was dann endgültig für eine Gänsehaut bei mir sorgte, war ihr Hinweis auf Tarkiainens Freundin, eine junge, kleine und reizende Frau mit blaugrünen Augen, deren Name ihr jetzt allerdings nicht einfiel.
    Â»Johanna«, sagte ich leise.
    Ein rasches Blitzen in Lauras Augen zeigte, dass sie sich erinnerte. »Ja, so hieß sie«, sagte sie. »Woher kennst du …?«
    Â»Johanna ist meine Frau.«
    Es wurde still im Raum. So still, dass ich mir einbildete, den Hall und Bruchstücke eines Gesprächs zu hören, das auf einer anderen Etage an einer ganz anderen Stelle des Hauses geführt wurde. Die Laura von früher hätte sich bei so langem Schweigen nicht wohl gefühlt. Aber die jetzige Laura saß ruhig auf ihrem Platz, wieder in ihre

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