Der Heiler
Glückwunsch.«
Waren die Treffen immer so holperig, so voller Minen und Fallen, wenn Leute sich nach einer Pause von zwanzig Jahren begegneten?
Laura sah mich wieder an. »Du bist tatsächlich Lyriker geworden«, sagte sie.
»Auf vielen Umwegen.«
»Ich habe leider nie â¦Â«
»Das macht nichts«, unterbrach ich sie. »Auch sonst niemand. Die Auflagenhöhe betrug jeweils nur zweihundert Exemplare. Und es waren sowieso nur Bücher für ein kleines Publikum. Das war bisher alles.«
Wir saÃen eine Weile schweigend da.
»Hast du jemals darüber nachgedacht, was sein könnte, wenn alles anders gekommen wäre?«, fragte Laura und überraschte mich damit komplett.
Ich zuckte mit den Schultern. »Wie anders?«, fragte ich dann. »Zwischen uns beiden oder generell?«
»In jeder Weise«, sagte sie. »Völlig anders. So, dass die Dinge ein glückliches Ende genommen hätten.«
Ich musterte sie. Verstand ich richtig? Zweifelte sie an ihren Entscheidungen? Wenn das der Fall war, begegnete ich dieser Laura jetzt zum ersten Mal.
»Ich weià es nicht«, sagte ich. »Vielleicht ist das hier ja das glückliche Ende.«
»Ja, vielleicht.«
»Laura«, sagte ich, als ich merkte, dass sie tief in Gedanken versunken war. »Mein Besuch hat einen wichtigen Grund. Meine Frau ist verschwunden, und ich brauche deine Hilfe. Ich suche einen Mann namens Pasi Tarkiainen.«
Auf ihrer Stirn bildeten sich ein paar stilvolle Falten, die vollen Lippen kräuselten sich leicht. Diese Miene kannte ich.
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte sie, genau wie ich erwartet hatte. »Ist deine Frau mit Tarkiainen durchgebrannt?«
Ich schüttelte den Kopf und merkte, dass ich es bedeutend geduldiger tat als vor zwanzig Jahren. »Falls ja, dann zumindest nicht freiwillig. Du erinnerst dich anscheinend an den Mann.«
»Wer nicht«, sagte sie und klang sofort genervt. »Alle erinnern sich an Pasi Tarkiainen, er war ein charismatischer, junger Student und Umweltaktivist. ÃuÃerst radikal und, unbestreitbar, äuÃerst attraktiv. Jetzt im Nachhinein hatte er natürlich recht, was den Ernst der Lage anging, aber seine Methoden â¦Â«, sie unterbrach sich.
»Ich habe davon gehört«, sagte ich. »Und diese Mehtoden haben möglicherweise damit zu tun, dass meine Frau sich auf seine Spur begeben hat.«
»Hat Pasi oder vielmehr Tarkiainen denn â¦Â«, sagte Laura, sah mir in die Augen und suchte nach dem richtigen Ausdruck, »⦠etwas verbrochen?«
»Kann sein, ich weià es nicht. Ehrlich gesagt, Laura, bin ich ziemlich fertig und ziemlich verzweifelt. Ich weià mit Sicherheit nur, dass meine Frau verschwunden ist. Alles andere ist Spekulation. Ich gehe allem nach, was auch nur entfernt mit der Sache zu tun hat.«
»Wie lange ist deine Frau schon verschwunden?«
Ich wollte instinktiv auf die Uhr sehen, merkte es aber noch rechtzeitig und hielt inne. »Anderthalb Tage, fast zwei.«
»Warst du schon bei der Pol â¦Â«
»Laura«, unterbrach ich sie so schroff und abrupt, dass ich selbst erschrak. »Die Polizei hat mich auf Tarkiainen hingewiesen. Da ich keine andere Spur habe, verfolge ich eben diese. Die Polizei tut überhaupt nichts, sie kann nichts tun.«
Meine Stimme hatte sich gehoben, klang scharf und hart. Ich bemerkte es selbst. AuÃerdem war Lauras Miene wieder die altbekannte von früher.
»Entschuldige«, sagte ich.
»Macht nichts, fast so wie früher. Jetzt sollte ich wohl lauter werden.«
Wir schwiegen eine Weile, dann begann Laura zu lächeln. Auch ich musste lächeln. Stolpersteine. Minen und Fallen.
»Gut, dass wir den Streit wenigstens so lange hinausgezögert haben, bis wir uns gemütlich hingesetzt haben«, sagte Laura.
Ich musste lachen, das erste Mal nach langer Zeit. Das Lachen breitete sich im Körper aus wie Wärme, die durch eine Berührung entstand. Es tat gut.
»Soll ich dir nun noch Traumtänzerei, mangelnde Initiative und fehlende Zielorientierung vorwerfen?«, fragte sie.
»Warum nicht?«, sagte ich lachend. »Ich könnte daraufhin schreien, wie berechnend und hinterhältig und was für eine Streberin du bist.«
Sie hörte auf zu lachen, aber ein Lächeln blieb und sorgte für einen feuchten Schimmer in ihren groÃen braunen Augen.
»Ich hatte dich gern«,
Weitere Kostenlose Bücher