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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Damit war das religiöse Establishment zunächst einmal zufriedengestellt. Doch es wurde deutlich, dass das Regime sich einer Lebenslüge verschrieben hatte, und wer immer diese Lebenslüge anprangerte, galt als gefährlich. Und so wurden die öffentlichen Auftritte des vorgeblichen Kriegshelden Bin Laden zu einem Ärgernis für die saudischen Herrscher. »In einer Zeit, in der die Saudis hinsichtlich ihrer Identität in der modernen Welt zunehmend verunsichert waren, erschien Bin Laden als makelloses Vorbild. Seine Frömmigkeit und sein bescheidenes Auftreten erinnerten die Saudis an ihr überliefertes Selbstbild. … Bin Ladens Ruhm ließ das Verhalten der saudischen Königsfamilie zwangsläufig in einem unvorteilhaften Licht erscheinen«, schreibt Bin-Laden-Biograf Lawrence Wright.
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    Saudi-Arabien im Zwiespalt – das Schwelgen im Luxus steht im Widerspruch zur beduinischen Tradition der Askese.
    Wütende Ablehnung der US-Präsenz
    Am 2. August 1990 griffen irakische Truppen das Nachbarland Kuwait an. Iraks Diktator Saddam Hussein gierte nach mehr Macht in der Region – und nach den Ölquellen Kuwaits. Den saudischen Herrschern jagte er mit seinem Überfall einen gewaltigen Schrecken ein. Konnten sie sicher sein, dass die Panzer des skrupellosen Potentaten an ihren Grenzen haltmachen würden? Nicht nur die Saudis waren höchst alarmiert – auch ihre Verbündeten, die Amerikaner, sorgten sich um die Stabilität der strategisch wichtigen Region. Die Ölquellen Saudi-Arabiens durften nicht in die Hände Saddams fallen! Und auch völkerrechtlich war die unprovozierte Aggression gegen Kuwait nicht hinnehmbar. US-Präsident George Bush senior sprang seinen Verbündeten in Saudi-Arabien bei und garantierte militärisch für ihre Sicherheit. Er organisierte im Weltsicherheitsrat eine fast geschlossene Front gegen Saddam. Die USA zogen »eine Linie im Sand«, wie sich Bush ausdrückte: Bis hierhin und nicht weiter, lautete die Botschaft an Saddam. Er solle sich aus Kuwait zurückziehen, andernfalls würde er mit militärischen Mitteln dazu gezwungen. Und so begann ein monatelanger Nervenkrieg mit dem irakischen Diktator. Westliche
Truppen, vor allem Amerikaner, wurden an den Persischen Golf verlegt. Die US-geführte Allianz nutzte Saudi-Arabien als Hauptaufmarschgebiet. Fast 500 000 US-Soldaten bezogen Quartier in dem Land, das die Einreise von Westlern zuvor streng reglementiert hatte. Die Streitmacht bereitete sich darauf vor, Saddams Armee aus Kuwait herauszuwerfen.
    Bild 186
    Irakische Panzer in Kuwait City: Im August 2001 befiehlt Iraks Diktator Saddam Hussein den Überfall auf das Nachbarland Kuwait.
    Osama bin Laden hatte diese Entwicklung tief erschüttert. Schon kurz nach dem Einmarsch Saddams in Kuwait hatte er sich dem saudischen Herrscherhaus als Retter in der Not angedient. Seine Afghanistanveteranen und er könnten die Kerntruppe zur Verteidigung des Landes stellen – so sein Vorschlag – und dann 100 000 arbeitslose saudische Jugendliche als Kämpfer rekrutieren. »Sie brauchen keine Amerikaner, Sie brauchen auch keine Soldaten aus anderen muslimischen Ländern. Wir sind genug«, versprach er vollmundig und fügte dann hinzu: »Wir werden mit unserem Glauben kämpfen. Wir haben schließlich die Sowjets aus Afghanistan vertrieben.« Zudem könnten die Baugeräte des Bin-Laden-Konzerns Sandhindernisse in der Wüste schaffen – und so würde man Saddam stoppen. Der damalige saudische Geheimdienstchef Prinz Turki ibn
Abd al-Aziz reagierte auf diesen Vorschlag mit einem ungläubigen Lachen und lehnte Bin Ladens Vorschlag ab. Zugleich war er beunruhigt über die radikale Veränderung Bin Ladens, den er seit Langem kannte.
    Bild 220
    US-Truppen nutzen Saudi-Arabien 1990/91 als Aufmarschgebiet für die Operation »Desert Storm«.
    Bin Laden, der selbst ernannte Retter des Islam, beobachtete mit wachsendem Ingrimm, wie immer mehr Westler nach Saudi-Arabien strömten. Er berief sich auf den Propheten Mohammed und dessen Mahnung: »Lasst nicht zu, dass es zwei Religionen gibt in Arabien.« Die meisten Saudis begriffen dies als Auftrag, die alleinige muslimische Herrschaft zu bewahren; seit Jahrhunderten galt zudem die Regel, dass Nichtmuslime der Zutritt zu den heiligen Stätten Mekka und Medina verwehrt war. Osama bin Laden wurde zum Anwalt der radikalsten Interpretation der Mahnung Mohammeds: Er sah sie als Verpflichtung, alle Nichtmuslime von der Arabischen Halbinsel fernzuhalten oder zu vertreiben.

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