Der Heilige Krieg
Amerikaner zu töten – »zu Wasser, zu Lande, in der Luft«, wie er sagte. Er fand Anhänger, die bereit waren, seine Worte in die Tat umzusetzen. Einer von ihnen steuerte am 26. Februar 1993 einen gemieteten Kleinbus in die Tiefgarage des World Trade Centers und stellte ihn dort ab. Der Fahrer, Ramsi Jussuf, hatte das Konstruieren von Bomben in Afghanistan gelernt – ob er von Bin Ladens Al-Qaida geschickt wurde, ist allerdings bis heute nicht geklärt. Die Höllenmaschine, die er in seinem Auto transportierte, ging in der Garage des WTC hoch. Sechs Menschen starben, 1042 wurden verletzt, doch die mächtigen Gebäude hielten der Explosion stand. Jussuf und sein Auftraggeber, der blinde Scheich Omar, wurden bald gefasst.
Dschihad gegen Muslime
Das vorrangige Ziel der »Dschihadisten« war zu Beginn der neunziger Jahre der eigene islamisch geprägte Kulturkreis, den man zum »wahren Glauben« zurückführen wollte. Viele der ausländischen Kämpfer, die in Afghanistan gegen die Sowjets ins Feld gezogen waren, stammten aus Algerien. Ideologisch fanatisiert, gingen sie nach dem Ende des Afghanistankriegs zurück in ihr Heimatland. Dort waren die Islamisten einer Machtübernahme ganz nahe – trotz gesetzgeberischer Tricks der Regierung gewann die Partei »Islamische Heilsfront« (FIS) Ende 1991 die Wahl. Daraufhin annullierte die Armeeführung die Wahl, übernahm die Macht im Land und verbot die FIS, ihre Funktionäre wurden verhaftet. Nun schlug die Stunde der Militanten und Afghanistanveteranen. Die »Bewaffnete Islamische Gruppe« (GIA) griff zu extremen Methoden: Attacken auf die Armee und auf Ausländer wurden kombiniert mit mörderischem Terror gegen Zivilisten, die es ablehnten, die Sache der Islamisten zu unterstützen. Immer wieder kam es zu Massakern an ganzen Dorfgemeinschaften. Diese blutigen Exzesse bezeichnete die GIA als »Dschihad«. Auch die Armee richtete ihren Kampf brutal gegen Zivilisten, die man der Unterstützung der Rebellen verdächtigte. Die Schrecken des Bürgerkriegs fanden im Westen zumeist nur Beachtung, wenn christliche Opfer zu beklagen waren, wie etwa sieben Mönche, die 1996 von der GIA entführt und getötet wurden. Außerdem griff der Terror ab 1993 punktuell auch auf Frankreich über – im Land der ehemaligen Kolonialherrscher explodierten Bomben, weil dessen Regierung Partei für das algerische Militärregime ergriffen hatte. Die Gewaltexzesse in Algerien sorgten dafür, dass die militanten Islamisten jede Unterstützung in der Bevölkerung verloren. Schließlich sollte die Regierung den Sieg davontragen. Im Bürgerkrieg starben in Algerien über 100 000 Menschen – die überwältigende Mehrheit der Opfer dieses »vergessenen Dschihad« waren Muslime.
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Bombenattentate fordern muslimische Opfer: Algerien versinkt in den 1990er-Jahren in einem blutigen Bürgerkrieg.
Ramsi Jussuf, der palästinensisch-pakistanischer Herkunft war, gab nach seiner Verhaftung als Motiv an, die Juden zu hassen. Er wolle die Sache Palästinas unterstützen. In den Vernehmungen sagte der Täter, er habe gehofft, dass der gesamte Gebäudekomplex einstürzen würde und bis zu 250 000 Menschen darin umkommen könnten. »Es ist schon bemerkenswert, wie früh einige Islamisten daran gedacht haben, aufwendige, mit hohem Symbolgehalt befrachtete Anschläge durchzuführen. … Sie wollten den Feind demütigen und möglichst viele Menschen in den Tod schicken. Sie hatten besonders verwundbare wirtschaftliche Ziele ins Visier genommen, die eine wütende Reaktion hervorrufen mussten, und sie hofften, dass Vergeltungsaktionen anderen Muslimen einen Anstoß zum Handeln geben würden«, analysiert der US-Autor Lawrence Wright die Motive der Islamisten.
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Der blinde Scheich predigte Hass gegen die USA.
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Ein erster »Tag des Terrors« in New York.
Bin Laden war unterdessen immer noch nicht in den Fokus der US-Terrorermittler gerückt. Doch die Saudis behielten ihn im Auge. Anfang 1994 entzog der König seinem schärfsten Kritiker die saudische Staatsbürgerschaft und fror dessen inländische Guthaben ein; auch die Bin-Laden-Familie in Saudi-Arabien distanzierte sich von Osama. Ebenfalls sahen ihn vermeintliche Freunde als Belastung. Als 1995 ein Anschlag auf den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak bei einem Besuch in Äthiopien scheiterte, vermuteten amerikanische und ägyptische Geheimdienstler, dass der Sudan in die Attentatspläne verwickelt war. Die internationale
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