Der Heilige Krieg
Arabische Journalisten in Pakistan berichteten in der Folge von den Kämpfen und feierten überschwänglich die Heldentaten von »Osama dem Löwen«, der angeblich ein Millionärsleben in Saudi-Arabien aufgegeben hatte, um die Gefahren des Heiligen Krieges zu suchen. In den Bereich der Legenden gehört auch die Behauptung, dass die CIA Bin Ladens Truppe direkt finanziert und ausgerüstet habe – das war zu keinem Zeitpunkt der Fall.
Die Herkunft des Namens »Al-Qaida«
Abdallah Azzam hatte schon 1988 in der Zeitschrift Dschihad , die er in Pakistan herausgab, verkündet: »Keine Ideologie, ob irdisch oder göttlich, kommt ohne eine Vorhut aus, eine Avantgarde, die alles, was sie hat, hergibt, um den Sieg dieser Ideologie zu ermöglichen. Diese Vorhut trägt die Flagge auf dem nahezu endlosen und schwierigen Weg voran – bis sie ihr Ziel erreicht hat. Diese Vorhut bildet die solide Basis für die Gesellschaftsform, die es zu erreichen gilt.« Eine »solide Basis« (bzw. »Fundament«) heißt auf Arabisch »al-Qaida al-Sulba«. Die Truppe um Bin Laden und Abdallah Azzam glaubte genau das zu sein – eine elitäre Vorhut von Kämpfern, die als Fundament für die kommende islamistische Ordnung fungieren wollte. »Al-Qaida« hat noch weitere Bedeutungen. Der Begriff bezeichnet auch ein Militärlager – ganz pragmatisch steht der Name also für Bin Ladens Ausbildungscamps. Ebenso kann Al-Qaida eine dritte Bedeutung haben: »Datenbasis«, das heißt die Namensliste der Kämpfer, die ausgebildet wurden. Die Herleitungen des Namens »Al-Qaida« sind vielfältig – aber unstrittig ist, dass seit 1988 Bin Laden und seine Gefährten den Begriff als Bezeichnung für ihren engeren Zirkel und ihre Kerntruppe nutzen.
»Aus dem Blickwinkel der Sowjets war die Schlacht an der Löwenhöhle nur ein kleines Scharmützel. Bei den von religiösem Eifer beseelten Männern, die Bin Laden um sich geschart hatte, entstand dadurch jedoch das Gefühl, dass sie in einer übernatürlichen Welt lebten, in der sich die Wirklichkeit vor dem Glauben verneigte. Der Kampf an der Löwenhöhle schuf bei ihnen den Mythos, dass sie die Supermacht besiegt hätten. Wenige Jahre später brach das Sowjetimperium zusammen – es war, wie die Dschihadisten glaubten, an den Schlägen gestorben, die ihm die Muslime in Afghanistan versetzt hatten«, schreibt Lawrence Wright in seinem Buch Der Tod wird euch finden . Obwohl der Beitrag der Freiwilligen tatsächlich militärisch unbedeutend war, hatte diese Phase doch weitreichende Konsequenzen: »Der afghanische Dschihad bot den arabischen Freiwilligen die bis dahin einzigartige Gelegenheit, sich transnational zu organisieren, was zunächst einmal hieß, Kontakte zwischen Militanten verschiedener Nationalitäten herzustellen, … sich gemeinsam zu organisieren und eine gemeinsame Ideologie und gemeinsame Zielvorstellungen zu entwickeln«, resümiert der deutsche Terrorismusexperte Dr. Guido Steinberg in seiner Studie Der nahe und der ferne Feind – Die Netzwerke des islamistischen Terrorismus . Damit war das Schlangenei des internationalen islamistischen Terrors gelegt. Ende der 1980er-Jahre wurde Bin Ladens Truppe in Afghanistan zunehmend von radikalen Ägyptern beeinflusst – sie hatten sich nach Afghanistan abgesetzt, weil sie das weltliche Regime in ihrer Heimat hassten und dort erbarmungslos verfolgt wurden. Zu ihnen zählte Ayman al-Zawahiri, ein Arzt, der ein führendes Mitglied der ägyptischen Gruppe Al Dschihad war. 1981 waren er und seine Gruppe in die Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat verwickelt gewesen. Zawahiri war verhaftet und brutal gefoltert worden – sein Hass auf das Regime hate sich in gleichem Maße gesteigert wie sein Fanatismus. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ging er nach Afghanistan.
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Der Arzt Ayman al-Zawahiri vor Gericht in Ägypten.
Auf der Suche nach neuen Zielen
1988, nachdem die Sowjets mit ihrem Abzug aus Afghanistan begonnen hatten, suchten Männer wie Zawahiri, Bin Laden und Azzam neue Aufgaben und neue Schlachtfelder für den Dschihad. Ihr Ziel war, die Idee des Dschihad weiterzuverbreiten und zu diesem Zweck Kämpfer auszubilden. Wer der Feind sein sollte, wurde intern heftig diskutiert. Azzam lieferte noch immer die ideologischen Stichworte: »Der Dschihad wird die Verpflichtung jedes Einzelnen bleiben, bis alle anderen Länder, die einmal muslimisch waren, an uns zurückgegeben sind, sodass der Islam dort wieder herrschen
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