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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Obwohl die Amerikaner fernab der Städte stationiert wurden und die Bevölkerung sie nicht zu Gesicht bekam, löste in der saudischen Gesellschaft der Zustrom westlicher Truppen durchaus Unruhe aus. »Die amerikanischen Ungläubigen nun zur Verteidigung des Landes der heiligen Stätten von Mekka und Medina herbeizurufen, erschien vielen Saudis als Sakrileg, und die islamistische Opposition begann, die Herrscherfamilie offen zu kritisieren.… Sie interpretierten den Hilferuf an die Amerikaner als Bankrotterklärung der Familie Saud, der es trotz des märchenhaften Ölreichtums nicht gelungen war, eine effektive Landesverteidigung aufzubauen«, so der Nahostexperte Guido Steinberg in seiner Studie Der nahe und der ferne Feind . Viele fühlten sich zutiefst beschämt, dass die Heimat des Propheten von Westlern, von christlichen, jüdischen und sogar weiblichen GIs geschützt werden musste. Osama bin Laden wiederum verstieg sich zur radikalsten Interpretation – er und andere militante Islamisten sahen Saudi-Arabien fortan als von den US-Amerikanern »besetzt« an. Für die Weltsicht Bin Ladens wurde das Jahr 1990 damit zu einem Wendepunkt.
    »Er war überzeugt, er könne eine große Armee zur Befreiung Kuwaits aufstellen und befehligen. Dies zeigte seine Überheblichkeit und seinen Hochmut.«
    Prinz Turki ibn Abd al-Aziz, 1990

    Bild 193
    Luftabwehrfeuer über Bagdad – im Januar 1991 beginnt die Operation »Desert Strom«: der Krieg gegen den Irak.

    Bild 194
    Im Sudan regieren islamische Fundamentalisten, die Osama bin Laden 1992 willkommen heißen.
    Im Januar 1991 erfüllte das Donnern von US-Kampfbombern den Luftraum über dem Irak. Bagdad wurde Nacht für Nacht zum Ziel von Bombenabwürfen und Raketen – wochenlang flog die Luftwaffe Einsätze, um die Iraker mürbe zu bomben. Im Februar rollten dann lange US-Panzerkolonnen durch die Wüste des saudisch-kuwaitischen Grenzgebiets. Ein kurzer Bodenkrieg reichte, um die irakischen Truppen vernichtend zu schlagen; sie mussten aus Kuwait fliehen. Danach zog die Masse der westlichen Truppen aus Saudi-Arabien ab, jedoch blieben einige US-Luftwaffenstützpunkte im Land bestehen. Diese US-Präsenz in Arabien wurde von Bin Laden weiterhin scharf kritisiert. Sehr willkommen war ihm, dem jede eigene religiöse Autorität fehlte, dass seine Position von bekannten saudischen Religionsgelehrten untermauert wurde. Einer von ihnen, Safar al-Hawali, verkündete 1991 in einer Predigt: »Was am Golf geschieht, ist Teil eines umfassenden Plans zur Unterwerfung der gesamten arabischen und muslimischen Welt.« Das saudische Regime ließ daraufhin den Religionsgelehrten einsperren; außerdem wurde Bin Laden von nun an praktisch unter Hausarrest gestellt. Auch das mag
ihn in dem Entschluss bestärkt haben, Saudi-Arabien 1991 zu verlassen. Sein Ziel war der Sudan, ein Land, dessen Führer einen ganz und gar islamistischen Staat schaffen wollten. Bin Laden galt hier als hochwillkommen. Der reiche Saudi stand dem Regime nicht nur ideologisch nahe, sondern versprach auch, im Sudan beim Ausbau der Infrastruktur zu helfen. Über Mittelsmänner ließ Bin Laden nördlich der Hauptstadt Khartum zwei landwirtschaftliche Betriebe kaufen – diese Farmen sollten fortan von dem verbliebenen organisatorischen Kern Al-Qaidas genutzt werden. Mit der sudanesischen Regierung entwickelte sich nun eine symbiotische Beziehung. Während sie Bin Laden freie Hand bei seinen konspirativen Aktivitäten ließ, investierte der Millionenerbe in dem bitterarmen Land in Unternehmen. Diese Firmen dienten zugleich als Tarnung für die Konten und Finanzverbindungen, die Al-Qaida aufbauen sollte.
     
    Derweil rückte Amerika erneut ins Visier Bin Ladens. Er glaubte, dass die Weltmacht immer größere Teile der muslimischen Welt unter ihre Kontrolle bringen wollte. Dieser Standpunkt wurde zur fixen Idee, als die USA mit einer humanitären Aktion die Hungerkatastrophe in Somalia beenden wollten. Im Land herrschte Bürgerkrieg, Milizen terrorisierten die Menschen, im Chaos hungerten und starben Tausende. Im Dezember 1992 landeten dort – medienwirksam in Szene gesetzt vor den TV-Kameras aus aller Welt – 28 000 US-Soldaten, später unterstützt von NATO-Partnern wie etwa Deutschland. Sie sollten die Mitarbeiter der UN-Hungerhilfe vor Übergriffen der Milizen bewahren. Bin Laden hatte schon die schützende US-Präsenz in Saudi-Arabien als feindlichen Akt gegen die Muslime betrachtet, nun interpretierte er den humanitären

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