Der Heilige Krieg
Festung kamen, nahmen, ehe man sich’s versah, zwei Pferde und drei Kamele weg. Der Beschluß, nach Constantinopel zurückzukehren, stand jetzt fest.«
Süleyman, Tagebucheintrag über den Abbruch des Feldzugs
»Also hat der Türck die stat hefftiglich mit Schiessen / graben vnd sprengen / tag vnd nacht on unterlas geengstet«, war in einer christlichen Flugschrift zu lesen, die kurz nach der Belagerung verbreitet wurde . Die Kämpfe waren grausam, »mehr als 500 Köpfe werden abgeschnitten«, hielt das osmanische Tagebuch etwa am 6. Oktober fest. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Verteidiger dem Ansturm erliegen würden. Nur eines konnte die Wiener jetzt noch retten: das Wetter. Denn im Winter mussten die Osmanen den Kampf einstellen und feste Quartiere beziehen. Und tatsächlich stand das Glück aufseiten der Verteidiger: Der Wintereinbruch machte den Osmanen einen Strich durch die Rechnung – bereits im Oktober begann es zu schneien. Süleyman musste die Belagerung abbrechen.
Die Wiener hatten noch einmal Glück gehabt. Süleyman aber sah im Abbruch der Belagerung keine Niederlage. Das Land des christlichen Rivalen, des »verfluchten Ferdinand«, war ausgeplündert und verwüstet, das Heer kehrte »siegreich« zurück. Die Machtdemonstration vor den Toren der Hauptstadt des größten christlichen Feindes galt als gelungen, die Entscheidungsschlacht nur als vertagt.
Tatsächlich verfehlte der osmanische Vormarsch seine Wirkung nicht. Wieder ging das »türkische Gespenst« um in Europa. Dank des Buchdrucks mit beweglichen Lettern war es nun möglich, mittels Verbreitung
von Flugschriften eine »öffentliche Meinung« zu schaffen. Wobei damals schon die gleichen Mechanismen in den Medien griffen wie heute. »Flugschriften, die besonders spektakulär grauenvolle Details der Belagerung wiedergaben, erfreuten sich großer Beliebtheit, beachtliche Verkaufserfolge waren ihnen sicher«, bestätigt denn auch die Historikerin Isabella Wasner-Peter.
»Des names Christi / vnd vnser aller Erbfeind… Es sollt ein steinern herz darob brechen / ob der Tyrannischen handelung die sie vben / Sie haben etliche Kinder an die Zeun gespist / etliche gebraten / verhoff Gott sol es nicht vngerochen lassen.«
Flugschrift von 1529
Entsprechende Illustrationen sollten auch die Mehrheit der leseunkundigen Bevölkerung erreichen. Der Kampf gegen die Türken aber sei »ein nötiges / ein heiliges und seliges kriegen« predigten die Theologen bald von den Kanzeln.
Doch trotz aller religiösen Rhetorik blieben die europäischen Mächte bei ihrer nüchternen Interessenpolitik. Frankreich, das im 16. Jahrhundert gegen die Hegemonie der Habsburger in Europa kämpfte, schloss im Jahr 1536 sogar einen Handelsvertrag mit dem Reich der Osmanen. Es war der Auftakt für eine Beziehung zwischen den Großmächten, die mit Unterbrechungen für 250 Jahre Bestand haben sollte. In »Kapitulationen« (die Vertragstexte waren in »Kapitel« eingeteilt) räumte der Sultan gegen Tribut oder Waffenhilfe französischen Händlern Privilegien in seinem Reich ein. Damit hatten die Diplomaten des Königs von Frankreich anerkannt, dass die Osmanen eine Macht in Europa waren – und bleiben würden. Sie erteilten so jeder christlich-europäischen Union gegen die Osmanen eine klare Absage.
Das Haus Habsburg blieb nach dem Wien-Feldzug von 1529 neben den persischen Safawiden der Dauerfeind des Osmanischen Reiches. 1532 marschierte »der grausam Tyran und Erbfeind des Christennlichen glawens Türckischer Kayser Sulltan Selleyman genannt« erneut gegen Wien, doch diesmal stellte sich ihm ein 80 000 Mann starkes Heer entgegen. Kaiser Karl V. hatte sich im selben Jahr im Nürnberger Religionsfrieden erstmals mit den Protestanten arrangiert. Im Gegenzug erhielt er ein Reichsheer zum Schutze Wiens. Jahrzehnte eines zermürbenden Kleinkriegsfolgten an der habsburgisch-osmanischen Grenze. Schließlich erklärte Süleyman sich zu einem Waffenstillstand bereit – wenn Habsburg die Oberhoheit des Sultans anerkennen und ihm für das ungarische Gebiet Tribut entrichten würde. Es war Busbecqs Aufgabe, dieses Abkommen zu schließen. Die Verhandlungen fanden in eisigem Klima statt. »Der Sultan hat weder unsere Botschaft noch unsere Gründe, noch die Aufträge mit sonderlich wohlwollender Gesinnung und Stirne aufgenommen«, vermerkte er in seinen Aufzeichnungen. Ein Beamter des Sultans drohte ihm offen: »Wenn mein Kaiser für das Heil und Gedeihen seiner Völker
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