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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Untertanen bezahlt wurde. Dennoch gehörten Schikanen gegenüber »Ungläubigen« zum Alltag, blieben sie laut Suraiya Faroqhi »Untertanen zweiter Klasse«.
    »Die Türken halten es nicht nur für erlaubt, Christen zu beleidigen und zu beschimpfen, sie halten das für ein Werk der Frömmigkeit.«
    Ogier Ghislain de Busbecq, Gesandter am Hof des Sultans
    Und doch lebten die Andersgläubigen im Osmanischen Reich zu dieser Zeit bedeutend besser als die religiösen Minderheiten in den meisten europäischen Ländern. Es gab keine Verfolgung und keine Vertreibung. Von der Politik der Toleranz etwa gegenüber den Juden zeugt bis heute die Ahrida-Synagoge in Istanbul. Als Erinnerung daran, dass sie aus dem christlichen Europa über das Meer geflohen waren, setzten die Juden ein schiffsbugförmiges Podest für die Thora-Rezitation, die »Bimah«, in ihr Gotteshaus.
    Herrschaftszentrum des Osmanischen Reiches war der Topkapı-Palast in Istanbul – auch er ein Symbol imperialer Macht.
    Abgeschottet und zumeist unsichtbar für sein Volk, regierte der Sultan von hier aus sein Imperium. 5000 Personen lebten zur Zeit Süleymans im Topkapı-Palast. Die Anlage war in drei Hofbereiche gegliedert: Der erste Hof war der Öffentlichkeit zugänglich, im zweiten Hof saßen der Großwesir und der Diwan, hier wurden Gesandte und Emissäre empfangen. Dem Herrscher mit seiner Familie blieb der dritte, innere Hof
vorbehalten, der Harem. Es war kein zügelloser Sündenpfuhl, wie viele Europäer glaubten und glauben, im Gegenteil: Durch die Anwesenheit des Sultans, des »Schatten Gottes auf Erden«, galt der Harem als sakraler Ort; hier wurden auch die wichtigsten Heiligtümer des Islam aufbewahrt.
    Bild 83
    Der Topkapı-Palast mit Blick auf die Dächer des Harems, des Wohnbereichs des Sultans und seiner Familie.
    Im Harem lebte der Sultan mit seiner Familie, den Ehefrauen und Kindern, seiner Mutter, den unverheirateten Schwestern und seinen Konkubinen. Das erotische Leben des Sultans stand dabei unter strikter Aufsicht, denn die Frage der Nachkommenschaft war für die Erbdynastie fundamental. Da die Sklavinnen des Harems nicht-islamischen Glaubens sein durften, stammten sie hauptsächlich aus dem Kaukasus, von der Krim und aus Europa, von wo sie gekauft oder geraubt worden waren. Im Harem unterstanden sie strengen Regeln, es gab eine feste Hierarchie mit der Sultansmutter an der Spitze. Und doch waren Fehden und Intrigen in der isolierten Welt des Harems an der Tagesordnung. Die Skla-vinnen
des Palastes konkurrierten darum, es zur Zofe des Sultans, zu seiner Konkubine und vielleicht eines Tages zur Sultansmutter zu bringen.
    Bild 87
    Der Sultan trifft sich mit seiner Favoritin. Osmanische Miniatur aus dem 16. Jahrhundert.
    Zum inneren Kreis gehörten neben der Sultansfamilie und den Sklavinnen noch die Eunuchen, die als Wachen des Harems dienten und sich um die persönlichen Angelegenheiten des Sultans kümmerten. Da sie alles für den Herrscher bis hin zu seinen Finanzen regelten, wurde auch ihr Einfluss im Staat immer größer, bildeten sie einen eigenen Machtfaktor. Für alle anderen Personen war der Harem ein unzugänglicher Ort, über den zahllose Gerüchte kursierten.
    Hinter den Kulissen des Palastes aber begann seit der Zeit Süleymans ein Wandel, der das Osmanische Reich nachhaltig verändern sollte. Politisch begabte Sultansmütter und Ehefrauen gelangten mehr und mehr zu Macht und Einfluss. »Alles Gute und alles Schlechte kam von der Königinmutter«, notierte etwa der Gesandte Venedigs 1583. Es begann
die Zeit des, wie der türkische Historiker Ahmed Refik es formuliert, »Sultanats der Frauen«, das zu einem langsamen Wandel im Osmanischen Reich führte: von einem expansiven Imperium mit einem »Kriegersultan« an der Spitze zu einem bürokratischen Staat mit einem »Palastsultan«, der in der Mitte seines Harems lebte, so die englische Historikerin Leslie Peirce. Eine bürokratisch verankerte Politik ersetzte mehr und mehr die Willkürakte der Sultane.
     
    Am Anfang dieser Entwicklung stand Hürrem Sultan, Ehefrau Süleymans des Prächtigen, von den Europäern Roxelane genannt. Wahrscheinlich stammte sie aus Osteuropa, wo sie von Krimtataren geraubt und an den Harem des Sultans in Konstantinopel verkauft worden war. Melchior Lorichs, ein Begleiter Busbecqs in Konstantinopel, fertigte eine Zeichnung von ihr an, doch es ist unwahrscheinlich, dass er sie selbst zu Gesicht bekam.
    Bild 117
    Im Beisein seiner Gattin Roxelane

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