Der Heilige Krieg
lieferten sich osmanische und habsburgische Soldaten an den Schanzen der Stadt und in den unterirdischen Stollen einen Kampf bis
aufs Messer. Ein Kampf, der infolge der Glaubenspropaganda besonders brutal geführt wurde. Gefangene wurden kaum gemacht. Der Wiener Stadtkommandant verweigerte den Türken eine Waffenpause, um ihre Toten aus den Gräben zu bergen. Die »schwarzen Seelen« der Feinde würden zu den »Folterknechten der Hölle« niederfahren, prophezeite ihnen der osmanische Zeremonienmeister.
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Johann III. Sobieski führte das Entsatzheer zur Rettung Wiens an.
Immer wütender wurden die Angriffe, immer stärker die Minen, die unter der Stadtmauer gezündet wurden. »Der Allmächtige ließ die Flamme seines Zornes hell lodern und kannte keine Milde und kein Erbarmen mehr«, vermerkte das Tagebuch. Unter den Verteidigern machten sich die Verluste, der Hunger und die Erschöpfung bemerkbar. Nur ein Gedanke gab ihnen noch Mut: Kaiser Leopold hatte Entsatztruppen versprochen, um die Hauptstadt des Reiches zu retten.
»Gott wird uns führen«
»Meine Generäle: Heute stoßen wir bis zum Lager der Türken vor. Wir werden sie überraschen. Sie haben sich nicht in unsere Richtung verschanzt. Wir werden also kaum auf konzentrierte Kräfte stoßen. Da ich Ihre Tapferkeit kenne, bin ich guten Mutes. Meine Herren, erwarten Sie keine weiteren Befehle von mir. Gott wird uns führen. Wir sollten ihn gemeinsam um seinen Beistand bitten.«
Tagesbefehl des polnischen Königs am 12. September 1683.
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Auf den Festungsmauern von Wien wurden erbitterte Kämpfe geführt. Zeitgenössischer Stich.
Und tatsächlich eilte durch den Wienerwald ein kaiserlich-polnisches Heer unter dem Kommando des polnischen Königs Jan Sobieski der belagerten Stadt zu Hilfe. »Ihr streitet nun für Gott, nicht für den König«, so hatte Sobieski seine Männer auf den Kampf eingeschworen. Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn Kara Mustafa versuchte in einem letzten verzweifelten Sturmangriff, doch noch die Stadt zu erobern, bevor ein weiterer Feind auf dem Kampfplatz erschien. Ohne Unterlass bestürmten die Osmanen die Befestigungen Wiens. »Die Unseren gewinnen immer mehr an Boden, und zwar nicht Schritt für Schritt, sondern Klafter um Klafter! Die Ungläubigen merken jetzt, welches Unheil ihnen bevorsteht, und setzen sich aus Leibeskräften zur Wehr«, schrieb der Chronist.
Am Morgen des 12. September griff das Entsatzheer vom Kahlenberg die Belagerer an. »Es war, als wälzte sich eine Flut von schwarzem Pech bergab, die alles, was sich ihr entgegenstellt, erdrückt und verbrennt«, so das Kriegstagebuch des Zeremonienmeisters. Kara Mustafa hatte nur
einen Teil seiner Truppen von Wien abgezogen, um den Angreifer im Rücken der Türken aufzuhalten. Die Reihen der Osmanen begannen zu wanken, die 10 000 polnischen Reiter schlugen sie endgültig in die Flucht. Wien war befreit.
Nur mit knapper Not entkam Kara Mustafa der polnischen Kavallerie, die heilige Fahne des Propheten konnte er retten. Das riesige Lager aber mit den Waffen, der Ausrüstung und dem Kriegsschatz fiel in die Hände der christlichen Koalition. »Bei Gott. Nie hat es so einen Triumph gegeben. Nie hat ein Sieg von solcher Bedeutung so wenig Blut der Unsrigen gekostet. Und nie hat sich eine Besatzung tapferer gehalten als diesmal die Wiener«, so die Stimmungslage unter den Siegern. »Veni, vidi, Deus vicit.« – »Ich kam, sah, und Gott siegte«, ließ der polnische König an den Papst übermitteln. Bis heute hält die katholische Kirche die Erinnerung an diesen Sieg lebendig: Am 12. September feiert sie jedes Jahr das Fest Mariä Namen – in Gedenken an das Wiener Entsatzheer, das an diesem Tag im Jahr 1683 das Banner Mariens vor sich hergetragen hatte.
Für die Osmanen war die Niederlage ein Desaster. Das riesige Heer brach auseinander, Ungarn war schutzlos, das osmanische Prestige verloren. Der sieglose Großwesir wurde schließlich hingerichtet. Auch Mehmed IV. verlor vier Jahre später seinen Thron. Interne Machtkämpfe und Aufstände in den Provinzen schwächten das Reich – während der Gegner zum Gegenschlag ausholte.
Nachdem die »Türkenbeute« aufgeteilt und die Siegesparaden abgehalten waren, schlossen sich die Sieger von Wien zu einer » Heiligen Liga« zusammen. Worum der Papst sich lange vergeblich bemüht hatte, war nun durch den osmanischen Angriff auf Wien zustande gekommen: eine christliche Koalition zum gemeinsamen Kampf
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