Der Heilige Krieg
gegen die Osmanen. Nutznießer im »Großen Türkenkrieg« waren jedoch in erster Linie die Habsburger, die weite Teile des von den Osmanen eroberten Gebietes für sich behielten.
»Der größte Dienst, den Kara Mustafa den Habsburgern erweisen konnte, war, gegen Wien zu marschieren.«
Walter Leitsch , Historiker
Die Niederlage vor Wien aber sollte ein Wendepunkt in der osmanischeuropäischen Geschichte werden.
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Das kaiserlich-polnische Entsatzheer erobert das türkische Lager vor den Toren Wiens und macht dabei reiche Beute.
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Kara Mustafa wird nach seiner Rückkehr erdrosselt. Europäischer Holzschnitt aus dem 17. Jahrhundert.
Türkenbeute und Beutetürken
Es ist eine seltsame Ware, die auf der Leipziger Neujahrsmesse 1684 feilgeboten wird: »gedörrte Türkenköpfe«. Sie sollen von osmanischen Soldaten stammen, die beim Kampf um Wien im Jahr zuvor getötet worden waren. In Fässern sind sie von dort bis in die sächsische Handelsmetropole transportiert worden. Besonders teuer sind die Köpfe von osmanischen Beamten oder Offizieren. »Zum fortwährenden Andencken des herrlich erfochtenen Sieges« wird eine große Zahl dieser Schaustücke von Kunstkammern und Bibliotheken in ganz Europa erworben, wo sich die Spuren der »Türkenköpfe« verlieren.
Das Osmanische Reich 1326 – 1683.
Eine makabre Geschichte, die vom neuen Selbstbewusstsein der Europäer nach dem Sieg von Wien zeugt. Der gefürchtete »Erbfeind« hatte viel von seinem Schrecken verloren. Von nun an verdrängte die »Heilige Liga« die osmanische Armee Schritt für Schritt aus Ungarn. Bei dem »Roll-Back« machte aufseiten der Habsburger bald ein Offizier von sich reden: Prinz Eugen von Savoyen.
Der »edle Ritter« hatte seine Feuertaufe als Leutnant vor Wien erlebt; 1697 fügte er den Osmanen bei Zenta ihre bis dahin schwerste Niederlage
in Europa zu. Nicht nur die Beute in Form von 6000 Wagen, Kamelen, Ochsen, Pferden, Zelten, 140 Geschützen, Hunderten von Fahnen und der Kriegskasse mit drei Millionen Gulden fiel den Siegern in die Hände, sondern auch das Siegel Mustafas II., das »diesen ganzen Krieg über bei allen Victorien noch niemals bekommen worden ist«.
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Prinz Eugen, der »edle Ritter«, führte gegen die Osmanen mehrere siegreiche Feldzüge.
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Das Siegel Mustafas II., das in der Schlacht von Zenta erbeutet wurde, mit dem Vertragstext von Karlowitz.
Dem Sultan blieb nach dieser Niederlage keine Wahl: Er musste Habsburg um Frieden bitten – zum ersten Mal überhaupt einen christlichen Staat. Der Friede von Karlowitz 1699 legte die neuen Machtverhältnisse fest: Zentralungarn und Siebenbürgen wurden Teil des von den Habsburgern kontrollierten Territoriums. Die Osmanen aber mussten erkennen, dass sie ihre Überlegenheit von einst verloren hatten.
»Der Friedensvertrag von Karlowitz markierte nach dem Desaster von Wien 1683 eine weitere wichtige Etappe des Niedergangs der osmanischen Macht.«
Josef Matuz, Historiker und Turkologe
Im serbischen Karlowitz nahmen die Osmanen 1699 Abschied von einem Grundpfeiler ihrer Außenpolitik, dem islamischen Konzept vom »Haus des Krieges«. Die Welt der »Ungläubigen« stellte sich von nun an nicht mehr als ein rechtloses Gebiet, dessen Eroberung per se legitim war. Das Osmanische Reich musste die europäischen Staaten als gleichberechtigt anerkennen – wurde damit umgekehrt aber auch ein Teil eines neuen europäischen Gleichgewichts. Der ehemalige Erbfeind der Christen war endgültig in Europa angekommen. Und trotz der Serie militärischer Rückschläge seit 1683 war der Osmanenstaat nicht zusammengebrochen.
Das Bild, das sich Europa vom Osmanischen Reich machte, verlor von nun an mehr und mehr die religiösen Bezüge. Die Vorstellungen von Kreuzzug, Antichrist und Weltuntergang konnten im Zeitalter der Rationalität und Aufklärung keine Kräfte mehr mobilisieren. Die Epoche der Kriege »im Namen Gottes« ging zu Ende. Dafür wurden im Westen neue Stereotypen geprägt. Der Osmanenstaat galt von nun an als »Musterbeispiel eines despotischen Regimes«, so der Historiker Matthias Pohlig, der Sultan als Inbegriff für Willkür und Allmacht. Die »Türkenfurcht« aber, die für Jahrhunderte Europa beherrscht hatte, wich der Verniedlichung des ehemaligen »Erbfeindes«. Wurde lange Zeit das Bild des »grausamen Türken« gepflegt, so richtete sich die Aufmerksamkeit nun auf die »Verlockungen« des Orients. Fremde Genüsse wie Türkischer Honig und
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