Der heilige Schein
Akademiebetrieb hinzuweisen -, musste er 2003 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Akademie verlassen. Ein Jahr zuvor hatte er sich in Polen habilitiert, so dass es ihm gelang, schon kurz darauf Professor für Rechtsphilosophie an der Katholischen Universität Lublin zu werden.
Die 1918 gegründete Katholische Universität Lublin spielt in der katholischen Welt eine besondere Rolle: Nicht nur, dass hier der spätere Papst Johannes Paul II. viele Jahre Philosophieprofessor war. Während der Zeit der kommunistischen Herrschaft in Polen war diese Institution auch die einzige Hochschule im gesamten Ostblock, an der die kommunistische Staatsdoktrin nicht die ganze Ausbildung bestimmte.
Wenige Monate nachdem er Professor in Lublin geworden war, meldete sich der polnische Priester bei mir und schlug mir vor, mich an der Universität Lublin zu habilitieren. Er sei bereit, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um mir zu einer theologischen oder philosophischen Habilitation zu verhelfen. Meine vielen wissenschaftlichen Arbeiten könne ich, zusammen mit meinem Buch über die Leitmotive des Thomismus, problemlos als Habilitationsschrift vorlegen. Schnell konnte er, nachdem ich »angebissen« und mich für die (im Nachhinein falsche) Fakultät entschieden hatte, einen mit ihm eng befreundeten katholischen Priester für die Sache gewinnen, der an der theologischen Fakultät Professor für Dogmatik war.
Für eine Habilitation in katholischer Theologie benötigt man ein Empfehlungsschreiben seines Bischofs, in dem dieser dem zu Habilitierenden einen in kirchlicher Hinsicht untadeligen Lebenswandel und Übereinstimmung mit der katholischen Doktrin bestätigt. Diese Voraussetzung steht zwar in deutlichem Widerspruch zum EU-Recht, ist aber im Kirchenrecht verankert. Viele europäische Staaten respektieren in diesem Punkt das Kirchenrecht, da sie es durch teils sehr alte Staatsverträge (Konkordate) mit dem Vatikan einmal zugestanden haben, in Deutschland wurde das entsprechende Konkordat 1933 zwischen NS-Deutschland und dem Vatikan geschlossen und bedeutete für die neuen Machthaber international einen enormen Prestigegewinn.
In meinem Fall war die nötige Instanz der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner. Über Kardinal Scheffczyk, den ich von den Düsseldorfer Herrenabenden kannte und der seinen Kardinalskollegen kontaktierte, erreichte ich, dass mir diese Genehmigung innerhalb weniger Tage und offensichtlich ohne jede Prüfung erteilt wurde. Die erste entscheidende Hürde war genommen.
So anstrengend meine erste Reise im Februar 2004 in das tiefverschneite Lublin war, so herzlich wurde ich von den geistlichen Herren empfangen. Gleich am ersten Abend lernte ich die Trinkfreudigkeit polnischer Priester kennen, und wir duzten uns bereits nach wenigen Stunden. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Mechanismus, der mir schon im Vatikan weitergeholfen hatte, auch hier funktionierte. Aufgrund persönlicher Beziehungen und der richtigen kirchenpolitischen Einstellung bekam ich alle Unterstützung, die ich mir nur wünschen konnte. Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als die Sache immer konkreter wurde und der eigentliche Akt der Habilitation näherrückte .
Als erforderlichen nichtpolnischen Prüfer ernannte die Fakultät auf meinen Vorschlag hin einen in der Schweiz Dogmatik lehrenden Professor, der mir seit längerem gewogen war. Ich kannte ihn bis dahin als eher verschlossenen Menschen, der mir im persönlichen Gespräch nicht in die Augen sehen konnte und der, wenn ich ihn ansah, in ein seltsames Stottern verfiel. Bisweilen errötete er auch, ohne dass ich irgendeinen Grund dafür ausmachen konnte. Erst als wir am Abend vor der Habilitation bei einem ausgiebigen Abendessen in einem französischen Restaurant in Lublin zusammensaßen und der Wein ganz offensichtlich auch bei ihm seine Wirkung tat, erlebte ich einen ganz anderen, um es vorsichtig auszudrücken, sehr kommunikativen Mann.
Dass es vor allem diese Sympathie für meine Person und mein kirchenpolitisches Agieren waren, die mir in Lublin zum Erfolg verhalfen, und dass man auf meine Fähigkeiten als Wissenschaftler leider weniger Wert legte, wurde mir klar, als es um den zweiten Teil der Habilitation ging. Während des ersten Teils hatte ich eine Vorlesung zu halten, was mir keinerlei Probleme bereitete. Der zweite Teil der Prüfung stellt gewöhnlich die eigentliche Herausforderung einer Habilitation dar. Dann haben nämlich erst die Prüfer und
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