Der heilige Schein
katholischen Kirche gezeugten Kindern wohnte, sondern zwei männliche Personen, die sich auch ein Schlafzimmer teilten. Indem ich diesen privaten Rahmen wählte, wollte ich späteren Querelen oder Schnüffeleien der Fördergemeinschaft in meinem Privatleben Vorbeugen. Später kam sogar mein Freund von der Arbeit zurück und erkundigte sich kurz, wann es Abendessen gebe. Aber all dies konnte meinen Besucher nicht erschüttern.
Es hatte sich wohl schon bis zu dem Pastor herumgesprochen, dass ich stets in Begleitung meines »Cousins« auftrat, und so bediente auch er sich des bewährten Feigenblattes. Dieses Feigenblatt war sogar so überzeugend, dass die Fördergemeinschaft später kein Problem damit hatte, in Ermangelung eines anderen geeigneten Mitarbeiters, meinen Freund mit der bezahlten Erstellung und Betreuung der Internetpräsenz sowie der Jahresregister der Zeitschrift zu betrauen.
Ich war überzeugt, dass damit ein Modus vivendi gefunden war, auf dessen Basis eine respektvolle und fruchtbare Zusammenarbeit möglich wäre. Schließlich waren mir, wie bereits erwähnt, mehrere Fälle bekannt, in denen man sich im katholischen Milieu bereitwillig solcher Feigenblätter bediente, um den heiligen Schein nicht anzutasten. Dass ein derartiges Versteckspiel den vermeintlich Getäuschten später als Mittel subtilen Zwangs dienen kann, war mir damals noch nicht bewusst.
Die Freundlichkeit des Pastors verstärkte sich noch, als er bemerkte, dass ich noch nicht ganz überzeugt war, die Herausgeberschaft wirklich zu übernehmen. Die Arbeitsbedingungen, die er mir skizzierte, klangen verlockend: Es sei Geld in Hülle und Fülle vorhanden, man habe im vorletzten Jahr einige größere Erbschaften gemacht, ja, man wisse gar nicht, wohin mit dem Geld, und fürchte jedes Jahr neu um den Status der Gemeinnützigkeit des Trägervereins , der eine ausgeglichene Bilanz von Ausgaben und Einnahmen erfordere. Ein Zustand, an dem sich im Übrigen bis heute nichts geändert hat. Die Erbschaften verstorbener Mitglieder des konservativen Milieus stellen - neben den Zuwendungen einiger Großfinanziers, die dafür auch die Richtung mitbestimmen - eine wichtige Quelle für die Finanzierung öffentlichkeitswirksamer Projekte wie Tagungen, Zeitschriften, Internetaktionen oder Annoncen in großen Tageszeitungen dar.
Ich bekäme also die Möglichkeit, größere und finanziell anspruchsvollere Projekte zu verwirklichen. Auch inhaltlich wurde mir freie Hand zugesagt; Aufgabe der Fördergemeinschaft sei es nur, die Gelder zu verwalten und dem Herausgeber beratend zur Seite zu stehen.
Der Gedanke, Theologisches wieder seinen alten Glanz zurückzugeben und ein - für den deutschen Sprachraum einmaliges - konservatives theologisches Organ mit Niveau herauszugeben, war es schließlich, der mich zu meiner Zustimmung veranlasste.
Ein neuer Wind bei Theologisches
Mein Amtsantritt verlief nicht ganz reibungslos. Im Juli 2003 schrieb mir mein Vorgänger: »Ich bin nicht nur der selbständige Redakteur und eigenständige Herausgeber der Zeitschrift gewesen, sondern bin nach wie vor der Inhaber als rechtmäßiger Nachfolger von Prof. Bökmann.« Das heißt, die Zeitschrift hatte auf einmal theoretisch zwei Herausgeber. So ging in der Fördergemeinschaft die Angst um, Lange könnte von seinen alten Rechten irgendwie Gebrauch machen. Dies besonders deshalb, weil es von Seiten der »Initiativkreise katholischer Laien und Priester«, einem eng mit den »Dienern Jesu und Mariens« zusammenarbeitenden Netzwerk, das im Bistum Augsburg sein Zentrum hat, deutliche Begehrlichkeiten gegeben hatte, die Zeitschrift mit Hilfe Langes über Umwege in die Zuständigkeit des eigenen Vereins zu bringen. Folglich beschloss man, »über einen Düsseldorfer Rechtsanwalt«, wie es im Geschäftsbericht des Jahres 2003 etwas verschleiernd heißt, den Markenschutz für die Zeitschrift zu erwirken, was eine Unmenge an Spendengeldern verschlang und, wie sich nachher herausstellte, völlig unsinnig war, da niemand den Versuch unternahm, den Namen der Zeitschrift für sich zu vereinnahmen.
Diese Vorgänge verweisen auf ein allgemeines Problem des konservativen Katholizismus: Die vielen kleineren, aber sehr aktiven Gruppen innerhalb des Milieus bemühen sich jede für sich um möglichst viel Einfluss innerhalb der Szene, um möglichst viele Spendengelder und um die Deutungshoheit über kirchenpolitische Vorgänge. Zu einer Zeit, als das Internet erst anfing, eine wichtige Rolle zu
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