Der heilige Schein
spielen, war es noch entscheidend, wer am Steuer der bedeutendsten theologischen Zeitschrift erzkatholischer Ausprägung saß.
Man bat mich, ein freundliches Editorial für die neue Nummer abzufassen, dem Monsignore darin herzlich zu danken und seinen angegriffenen Gesundheitszustand als Grund für seine Abdankung zu nennen. Von dem mehr oder weniger unfreiwilligen Rücktritt sollten die Leser möglichst nichts erfahren. Um deren Spendenfreudigkeit nicht zu gefährden und den Ruf der Zeitschrift und ihrer Mitarbeiter zu bewahren, musste unbedingt der Schein einer geordneten Übernahme aufrechterhalten werden.
Auch dies ist für die katholische Kirche ein ganz gewöhnlicher Vorgang: Will man oder muss man jemanden aus den eigenen Reihen loswerden, weil beispielsweise besonders schwerwiegende Fehler in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind, so wird dessen Entlassung meist verschleiernd mit »gesundheitlichen Problemen«, einer Beförderung oder dem »Rückzug in ein Leben des Gebetes« erklärt.
Nur wenn sich der Betreffende stur stellt, wie etwa im Fall von Bischof Mixa, fährt man härtere Geschütze auf bzw. droht damit, diese aus dem reichen Archivmaterial hervorzukramen. So erklärte der Pressesprecher des Erzbistums München im Juni 2010 zu Mixas Rücknahme seines Rücktrittsangebotes, man sehe zu dessen eigenem Schutz davon ab, weitere Details, die ihn belasten würden, zu publizieren. Der dann folgende Hinweis auf seinen Rückzug »aus gesundheitlichen Gründen« wurde schon fast demagogisch verstärkt: »Wir wünschen ihm gute Besserung. Sein Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik war ein wichtiger erster Schritt.« [37]
Zeitgleich mit der Verabschiedung Langes und der Übergabe der Herausgeberschaft an mich hatte die Fördergemeinschaft neue Mitglieder aufgenommen. Diese entstammten dem Netzwerk der Düsseldorfer Herrenabende. Die Herren hatten alle keinerlei Ahnung von Philosophie und Theologie, waren aber (kirchen-)politisch sehr engagiert. Einer von ihnen, der gleich ein Amt innerhalb der Fördergemeinschaft übernahm, las gern Heftchen, die von einem Sedisvakantisten -Verlag herausgegeben wurden und alle möglichen Verschwörungstheorien verbreiteten. Als seine inoffizielle Beraterin fungierte die Leiterin des evangelikalen und rechtskatholischen Gruppen nahestehenden Komm-Mit-Verlags, Felizitas Küble. Dieses Neumitglied war fest davon überzeugt, dass innerhalb der katholischen Kirche eine Verschwörung »gruppendynamischer Wühlarbeit« zugange sei, die den Priestern und Nonnen wider alle Realität einrede, dass sie sexuelle Bedürfnisse hätten. Mit »gruppendynamischer Wühlarbeit« meinte er offenbar moderne Methoden der Pastoralpsychologie, mit deren Hilfe sich Geistliche und Ordensschwestern ihrer Identität
- auch in geschlechtlicher Hinsicht - im Sinne eines Reifungsprozesses stärker bewusst werden sollen. Ziel dieser Methoden ist genau das Gegenteil des Unmündighaltens , wie es in traditionellen Priesterseminaren praktiziert wird.
Dies alles habe, so dieser Netzwerker in einem Brief an die Mitglieder der Fördergemeinschaft, das Ziel, die Klöster aufzulösen und die Kirche in die »Synagoge Satans« zu verwandeln. Diese Wortwahl hätte mich stutzig machen können, sie fiel mir in ihrer ganzen Problematik aber erst einige Jahre später auf, als ich mit einem jüdischen Freund über antisemitische Sprachgewohnheiten in der katholischen Kirche diskutierte. Dabei erfuhr ich, dass die Wendung »Synagoge Satans« eine lange Tradition hat. Schon bei den Kirchenvätern der Antike herrschte bekanntlich häufig ein krasser Antijudaismus.
Wir kommen nicht umhin festzustellen, dass sich der unter Traditionalisten verbreitete Antisemitismus inzwischen nicht mehr nur auf eine Randgruppe innerhalb der katholischen Kirche beschränkt, sondern unter dem gegenwärtigen Pontifikat eines aus Deutschland stammenden Papstes zunehmend in die Gesamtkirche einsickert. Ein besonders deutliches Anzeichen dafür ist die Wiederbelebung der Karfreitagsfürbitte »für die perfiden Juden« im Jahr 2007, die mit der durch Benedikt XVI. erfolgten Aufwertung und großzügigen fakultativen Wiedereinführung der alten Liturgie einherging. Der Text der Fürbitte ist schon insofern brisant, als es im Mittelalter im Anschluss an dieses Gebet nicht selten zu Judenmorden durch fanatische Christen kam, die ebenfalls die Angst vor der »Synagoge Satans« umtrieb. Auch wenn der traditionelle Text nach ersten
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