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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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Zeitschrift zu fördern. Spielte er doch nicht nur eine zentrale Rolle in der Diözese St. Pölten, sondern hatte auch beste Beziehungen in die Ewige Stadt, wo er bei einem guten Freund und Professor an der Opus-Dei-Universität in Kirchenrecht promoviert hatte. Dessen Name sagte mir damals noch nicht viel: Er hieß Georg Gänswein, war Mitarbeiter bei der Glaubenskongregation und schon zu der Zeit hauptsächlich privater Sekretär von Joseph Ratzinger.
    Ich wunderte mich natürlich sehr, dass die sonst weniger naiv wirkenden geistlichen Regenten solche Fotos zugelassen hatten - später fanden Kriminalbeamte bei einer Hausdurchsuchung im Seminar dann mehr als 40000 schwule Pornobilder und Kindersexdateien. Allerdings habe ich in keinem Pressebericht darüber gelesen, dass die beiden geistlichen Herren auch dort abgebildet waren. Diese Dateien befanden sich auf einem öffentlich zugänglichen Computer. Ihre genaue Herkunft ist bis heute ungeklärt, so dass auch eine juristische Klärung ausblieb. Im weiteren Verlauf des Skandals spielten die Kindersexdateien erstaunlicherweise kaum noch eine Rolle. Dafür wurden die beiden Seminarleiter in Medienberichten stark belastet. Mir hatte Kardinal Scheffczyk schon ein Jahr zuvor von den einschlägigen Sorgen berichtet, die er sich im Hinblick auf St. Pölten mache, zumal wegen der Zustände im dortigen Priesterseminar. Er erwähnte auch, dass er Bischof Krenn, seinen langjährigen Kampfgefährten für eine traditionelle Kirche, mehrmals darauf angesprochen habe. Dieser mache aber einen kranken Eindruck, sei in der Sache völlig beratungsresistent und wolle sich nicht von den Verantwortlichen im Seminar trennen. Auch der damalige Kardinal Ratzinger muss schon lange vorher von solchen Problemen gewusst haben, die er aber offenbar diskret lösen wollte, indem er sich - Krenn zufolge - Ende 2003 um einen Rücktritt Krenns von seinem Bischofsamt bemühte. Wäre Ratzinger damals mit seiner Strategie des Unter-den-Teppich-Kehrens erfolgreich gewesen, wäre der Diözese vermutlich der Skandal erspart geblieben, eine echte Lösung der Probleme hätte man freilich dadurch noch weniger erreicht.
    Eine Reaktion meinerseits auf die Fotos war nicht nötig, denn schon am nächsten Vormittag hatten viele andere Medien sie ebenfalls bekommen, und die österreichische Zeitschrift Profil brachte eine umfangreiche Reportage zu den Vorgängen in St. Pölten. Kurz darauf berichtete die ganze europäische Presse von dem Sexskandal im Seminar von Kurt Krenn, dem österreichischen Lieblingsbischof des Papstes.
    Obwohl die Sache also in konservativen Kirchenkreisen, besonders auch an führenden Stellen im Vatikan, längst bekannt war, zeigte man erst, nachdem sich der Fall zum öffentlichen Skandal ausgewachsen hatte, erkennbare Reaktionen. Von Rom wurde rasch eine Untersuchung der Vorgänge angekündigt, der Fall aber der Zuständigkeit Krenns entzogen. Dieser sah in den Handlungen seiner engsten Vertrauten nur belanglose »Buben-Dummheiten«, [44] die man nicht so hoch hängen solle. Krenn, der über viele Jahrzehnte in der katholischen Kirche Karriere gemacht hatte, wird gewusst haben, dass es sich bei den Vorfällen um seine Vertrauten nicht um irgendwelche Ausnahmen handelte, sondern um etwas, das unter katholischen Klerikern sehr verbreitet ist - und nun dummerweise fotografiert und publik gemacht worden war.
    Früher wurden in solchen Fällen die Dominikaner von der Inquisition beauftragt, heute sind dafür die Opus-Die-Leute zuständig. So wurde der Feldkircher Bischof Klaus Küng eifrig tätig und untersuchte zusammen mit dem Kirchenrechtler Alexander Pytlik, damals Vizeoffizial von Bischof Mixa in Eichstätt, die Vorgänge. In der Sprache des Kirchenrechts nennt sich eine solche Untersuchung »Visitation«. Pytlik gilt in Kirchenkreisen als Fachmann für derart delikate Aufgaben; im Sommer 2010 begleitete er auch Bischof Mixa zur Audienz bei Benedikt XVI., die dessen Rückzug endgültig besiegelte.
    Obgleich der Visitationsbericht zu den Vorgängen in St. Pölten streng geheim war, wurden wichtige Teile daraus durch Indiskretionen bekannt. Die sonst eher auf der Seite Bischof Krenns stehende Zeitschrift Der 13. berichtete nach Abschluss der Visitation am 13. Dezember 2004, was mir erst jüngst aus erster Hand ausdrücklich als zutreffend zitiert bestätigt wurde: »Es gibt eine Unmenge Dekrete und Verwarnungen Küngs, die zum Teil ihren Weg sogar in die Öffentlichkeit gefunden haben.« Die

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