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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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traditionellen Katholizismus darüber hinaus die Funktion, dass das Umfeld dann eher gewillt ist, über den »Makel« des Schwulseins hinwegzusehen - solange er geheim gehalten wird und solange die Betreffenden als Kämpfer für die »Achse des Guten« zu gebrauchen sind.
    Nicht selten bedienen sich homosexuelle Theologen und Priester dieses Mechanismus selbst ganz bewusst. In dem Zusammenhang sei der Fall eines nicht unbekannten Priesters erwähnt, dessen Homosexualität durch einen Sexskandal aufflog. War er zuvor in seinen Positionen eher gemäßigt konservativ gewesen, wechselte er nach dem Skandal, den er öffentlich als eine bösartige Unterstellung liberaler Kräfte ausgab, ins erzkonservative Lager und mutierte zum kämpferischen Verteidiger erzkatholischer Traditionalismen sowie zum Freund der alten Liturgie.
    Aus psychologischer Sicht spielt hier wohl zumindest ansatzweise etwas eine Rolle, das C. G. Jung mit dem Begriff »Schattenarchetyp« beschreibt: Verdrängte eigene Eigenschaften und Probleme, besonders solche, die in der eigenen sozialen Gruppe normwidrig sind, werden in einer Art Abwehrmechanismus auf andere Menschen projiziert. Indem man dann diese Menschen hart angreift, glaubt man die entsprechenden Probleme bei sich selbst bewältigt. Die für mich aufreibende Auseinandersetzung mit der Autobiographie Vorgrimlers und dessen Offenheit im Umgang mit seinem Leben erschloss sich mir so im Nachhinein als indirekte Auseinandersetzung mit meinem eigenen Schwulsein und dem bisherigen zwiespältigen Umgang damit.
    Die Tatsache, dass innerhalb des konservativen Lagers gerade homosexuell veranlagte Theologen oft besonders vehement für eine traditionelle Moraltheologie und gegen die »Sünde der Homosexualität« argumentieren, ja, sich im persönlichen Gespräch oder in anonymen Internetforen manchmal geradezu homophob äußern, dürfte von Psychologen als Ausdruck subtiler Verdrängungs- und Projektionsstrategien gedeutet werden. Und nicht nur von Psychologen. So schrieb der Berliner Journalist Gregor Tholl in der Welt vom 16. Mai 2010: »Eine andere Erkenntnis bei aufmerksamer Gesellschaftsbeobachtung dürfte sein, dass die schlimmsten Schwulenfeinde oft selber homophil sind, um es mit einem altbackenen Begriff zu umschreiben. Mancher Verklemmte wirft Homosexualität sogar mit Pädophilie in einen Topf - sei es aus Boshaftigkeit oder Dummheit.«
    Immerhin führte diese Erkenntnis bei mir in den Folgejahren zunächst dazu, dass ich mich in meiner theologischen Polemik deutlich zügelte. Und die Anfrage des erwähnten Schweizer Professors, meine beiden Aufsätze aus dem Sammelband zu Rahner ins Italienische übersetzen zu dürfen, beantwortete ich insofern ablehnend, als ich darauf bestand, dass dies nur nach gründlicher Überarbeitung und einer deutlichen Abmilderung der Urteile möglich sei.

Homosexualität als Druckmittel
    Das Jahr 2005 steht in der kirchlichen Zeitgeschichte nicht nur für den Beginn des Pontifikats Benedikts XVI., sondern markiert zugleich auch eine deutliche Verschärfung im Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität.
    Dies ist kein Zufall: Eines der ersten Dokumente, das Joseph Ratzinger als Papst im Sommer 2005 unterschrieb, hatte er schon viele Monate zuvor in der Glaubenskongregation federführend mit vorbereitet. In dem Dokument mit dem sperrigen Titel »Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesteramt und zu den heiligen Weihen« [43] stellt der Vatikan »mit aller Klarheit« fest, dass die Kirche »jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen kann, die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen«.
    Wichtig ist hier der Ausschluss auch jener Personen, die lediglich homosexuell veranlagt sind, diese Veranlagung aber gar nicht praktizieren, und von Heterosexuellen, die die »homosexuelle Kultur« unterstützen. Die Frage, was unter einer solchen Kultur zu verstehen ist, bleibt offen, dafür folgt eine Begründung der restriktiven Maßnahmen: »Die genannten Personen befinden sich nämlich in einer Situation, die in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen. Die negativen Folgen, die aus der Weihe von Personen mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen erwachsen können, sind nicht zu übersehen.«
    Wie bereits erwähnt,

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