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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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gehört, und nun machte sich die Erkenntnis breit, dass die Homophobie auch auf die Homophoben selbst zurückfallen kann. Einer, der den Fall aus nächster Nähe kannte, schrieb mir damals: »Man muss feststellen, dass es bei der Causa St. Pölten überhaupt nicht um Homosexualität geht, denn in beiden Fronten finden sich zahlreiche Schwule. Letztlich wäre das gar nicht weiter bemerkenswert, wenn sich Homosexualität aufgrund der derzeitigen Stimmung in der Kirche nicht perfekt als Waffe eignen würde, um unliebsame Leute abzuschlachten.« Und dann erstaunlich moderate Töne, wie sie zuvor in diesem Milieu noch als Andienen an den Zeitgeist abgelehnt worden wären: »Ob jemand homosexuell ist oder nicht, ist meines Erachtens objektiv ohne Interesse und Belang. Worauf es ankommt, ist vielmehr, ob jemand Charakter, Anstand und Disziplin hat, ob er treu, hilfsbereit und barmherzig ist, und schließlich, ob er im Umgang mit seinem Nächsten - unabhängig von dessen Rasse, Religion, sexueller Vorliebe oder was auch immer - dem Beispiel Jesu zu folgen sucht.«
    In der Öffentlichkeit wurde aber natürlich gerade nicht so argumentiert. Das wäre sonst vielleicht ein wirklicher Befreiungsschlag geworden. Stattdessen hieß es, im Gegensatz zum offiziellen kirchlichen Urteil, aus dem ultrakonservativen Umfeld des promovierten Kirchenrechtlers , an den Vorwürfen sei in keiner Weise etwas dran. Wie könne man so frommen und traditionsgetreuen Priestern unterstellen, homosexuell zu sein? Das sei doch schlicht undenkbar! Wenn es so etwas wie homosexuelle Priester überhaupt gebe, dann höchstens bei den Liberalen, aber doch nicht bei denen, die sich immer so klar gegen alles, was mit Homosexualität Zusammenhänge, ausgesprochen hätten!
    Beim Umgang gewisser Kreise mit dem Skandal von St. Pölten fühlte man sich immer wieder an Christian Morgenstern und sein Gedicht über Palmström erinnert, das literarische Paradigma des Spießers schlechthin:
     
    »Und er kommt zu dem Ergebnis:
    >Nur ein Traum war das Erlebnis.
    Weil<, so schließt er messerscharf,
    >nicht sein k a n n , was nicht sein d a r f.<«
     
    Besonders die bereits erwähnte Verlegerin des Komm-Mit-Verlags, Felizitas Küble, reagierte sehr schnell und verbreitete in ihrem Pressedienst in diese Richtung gehende Thesen. Es folgte der pensionierte Studienrat Reinhard Dörner, den ich von den Herrenabenden kannte und der zusammen mit Frau von Stockhausens Sekretärin, Dr. Gabriele Waste, in einem im Selbstverlag erschienenen Buch mit dem Titel Der Wahrheit die Ehre das Panorama einer anti-konservativen Verschwörungstheorie gegen Bischof Krenn und seine engsten Mitarbeiter entwarf.
    Dass manche dabei die Ereignisse so verbogen, dass sie in das Verschwörungskonzept passten, und zu dem Zweck auch schwere Unrichtigkeiten in Kauf nahmen, zeigte kurz darauf der (ebenfalls konservative und Krenn nahestehende) Moraltheologe Josef Spindelböck auf.
    Auch der promovierte Kirchenrechtler mutierte vom eher gemäßigt Konservativen zum überzeugten Anhänger der traditionalistischen Liturgie und publizierte in extrem konservativen Blättern wie der Una Voce-Korrespondenz. Das half ihm, seinen »integren Ruf« wiederzuerlangen. Selbst die zuvor noch so ablehnend eingestellte Fördergemeinschaft von Theologisches ließ sich von dieser Entwicklung und seinem kirchenpolitisch hervorragend ins Konzept passenden Status als Märtyrer des Antimodernismus überzeugen. Man hob das Schreibverbot für den promovierten Kirchenrechtler auf, der mir nun auch wieder eifrig Artikel zuschickte. Dieser Publikationsort, der auch im Vatikan aufmerksam und mit Sympathie verfolgt wurde, dürfte für seine Rehabilitation von entscheidender Bedeutung gewesen sein.
    Schon im Herbst 2008 ließ man das nur wenige Jahre zuvor vom Vatikan ausdrücklich bestätigte und als »endgültig« bezeichnete Berufsverbot für den promovierten Kirchenrechtler still und heimlich fallen, und der Gänswein-Vertraute tauchte in der ehemaligen Diözese des heutigen Papstes als Geistlicher in der Seelsorge wieder auf, wo er bis heute tätig ist.
    Der Sexskandal von St. Pölten wurde hier so ausführlich geschildert, weil er die erste bedeutende Frucht der eingangs erwähnten römischen Weisung zum Thema Homosexualität und Priesteramt ist. An ihm werden die Folgen, die eine solche Weisung nicht nur für Kleriker, sondern auch für homosexuelle Laien in der Kirche hat, in allen Facetten deutlich.
    Die Kirche verstößt in

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