Der heilige Schein
ihrer Vorgesetzten wurde diese Motivation im Laufe der Jahre allmählich zerstört und wich irgendwann einem Überlebenspragmatismus. So empfanden gerade diejenigen homosexuell veranlagten Priester, die sich aufrichtig um Einhaltung des Zölibatsversprechens bemühen, das Dokument des Vatikans zum Ausschluss Homosexueller vom Priesteramt als fatales Signal. Ein älterer, sehr frommer und auch papsttreuer Priester sagte mir damals mit Tränen in den Augen: »Das ist also nun der Dank des Heiligen Vaters für jahrzehntelanges aufopferungsvolles Wirken für die Kirche!«
Aufgrund meiner zunehmenden Resignation bot ich der Fördergemeinschaft über Jahre hinweg immer wieder meinen Rücktritt an. Das Erstaunliche war, dass man mich trotz der Bedenken bezüglich meiner Person jedes Mal inständig bat weiterzumachen, zuletzt noch einmal im Oktober 2009. Anscheinend funktionierte das Spiel, das sich zwischen uns eingebürgert hatte, einfach zu gut.
Dass ich mich immer wieder bereit erklärte, weiterzumachen, hatte vor allem mit meiner Überzeugung zu tun, die Fortsetzung meiner Herausgeberschaft sei das kleinere Übel. Lange Zeit glaubte ich, so das Schlimmste verhindern zu können, nämlich die offensichtlich angestrebte Übernahme der Zeitschrift durch die hinter kreuz.net stehende Organisation und damit deren vollständige Instrumentalisierung für einen antimodernen, menschenverachtenden und unchristlichen Katholizismus.
Mit aller Macht stemmte ich mich, meist erfolgreich, etwa gegen die Veröffentlichung homophober, frauenfeindlicher oder antisemitischer Beiträge, die mir in wachsender Zahl zur Publikation eingereicht wurden. Später führte der Vorsitzende der Fördergemeinschaft, Professor Manfred Hauke, in einem Artikel in Theologisches [54] meinen diesbezüglichen Widerstand als Beweis dafür an, dass ich aufgrund meiner »Veranlagung« zur Herausgabe einer katholischen Zeitschrift nicht geeignet sei. Mit meinem Rücktritt im April 2010 sei ich nur »einem Rauswurf von Seiten der Fördergemeinschaft zuvorgekommen«. Meine Ablehnung der Homophobie im Namen des Christentums sei eine »Bemäntelung der Sünde« gewesen, die von einer dem Papst verpflichteten Zeitschrift nicht akzeptiert werden könne. Womit Hauke nach meinem Verständnis nichts weniger tat, als indirekt zu bestätigen, dass er Homophobie und wie sich aus seiner Verurteilung meiner Zurückweisung derartiger Artikel erahnen lässt - wohl auch Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit als besondere Insignien des Katholischen, den Kampf dagegen jedoch als Sünde betrachtet. Besonders beim Thema Frauenfeindlichkeit wird dies niemanden wundern, gilt Hauke doch als bekanntester und eifrigster Gegner des Feminismus und des Frauenpriestertums in der katholischen Kirche. Außerdem hatte er wesentlichen Einfluss auf das Machtwort des Papstes, mit dem der unter Berufung auf seine Unfehlbarkeit die Priesterweihe der Frau für immer verbot. Davon, dass sich Hauke offensichtlich von der kreuz.net -Homophobie hatte anstecken lassen, war ich allerdings, der ihn jahrelang persönlich kannte, doch sehr überrascht.
Bei all dem darf man nicht vergessen: Hauke ventiliert solche Ansichten nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern hat in der katholischen Kirche Ämter inne, die es ihm erlauben, Einfluss auf junge Menschen auszuüben. So ist er nicht nur Professor für Dogmatik an der theologischen Hochschule in Lugano, die eng mit der von Don Luigi Giussani , einem engen Freund Ratzingers, gegründeten und in Italien auch politisch einflussreichen Bewegung » Communione e liberazione « verbunden ist, Hauke betätigt sich auch als Studienpräfekt im Luganer Priesterseminar San Carlo, ist also für die wissenschaftliche und charakterliche Ausbildung zukünftiger Pfarrer verantwortlich. Neben allem anderen wird man sich fragen müssen, inwieweit diese Tätigkeiten mit seinen öffentlich geäußerten Vorstellungen vereinbar sind, schließlich ist die Diskriminierung aufgrund von Lebensformen laut Artikel 8 der schweizerischen Bundesverfassung verboten.
Auf der anderen Seite kann sich Hauke, der einer der ergebensten Verehrer Benedikts XVI. ist, nicht nur durch die Nähe seiner Universität zur politischen Rechten Italiens, sondern auch durch den im Zuge der Williamson-Rehabilitierung sichtbar gewordenen kirchenpolitischen Kurs gestärkt fühlen.
Nur ein Beispiel: Wer es gegenwärtig in der katholischen Kirche wagt, über die Frauenordination auch nur laut nachzudenken, muss
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