Der heilige Schein
von katholischen Bischöfen zunehmend auf die Homosexuellen übertragen werden. Es sei nur an den St. Pöltener Bischof Klaus Küng und die von ihm immer wieder beschworene Gefahr geheimer homosexueller Verschwörungen in Priesterseminaren und Klöstern erinnert.
Ob ich nun in einem Editorial von Theologisches Internetseiten aus dem konservativ-katholischen Milieu öffentlich aufforderte, keine Verlinkungen zu kreuz.net zuzulassen, ob ich eine Petition zugunsten des Zweiten Vatikanischen Konzils und gegen die Rehabilitierung des Holocaustleugners Williamson unterschrieb oder ob ich einen Artikel verfasste oder publizierte, der nicht ins neokonservative Weltbild passte - stets wurde ich nun zu einem ernsten Gespräch einbestellt, durch das ich wieder auf den rechten Kurs gebracht werden sollte. Zur Sicherheit waren immer zwei Geistliche anwesend, davon meistens einer aus dem Opus Dei. Bisweilen wurde auch ein führender Vertreter der Fördergemeinschaft mittels Telefonkonferenz hinzugezogen. Diese Zuschaltungen wurden aber kurz gehalten, da dieser Mann fast immer, wenn es um Homosexualität ging, so stotterte, dass man ihn kaum verstehen konnte.
Zunächst wurde mir immer wieder indirekt angeboten, die betreffende Angelegenheit als Irrtum oder als Teil einer Verschwörung auszugeben. Eine Petition, die zum Beispiel auch feministische Theologinnen oder Verfechter der Priesterweihe für Frauen unterschrieben hätten, könne ich doch unmöglich unterzeichnet haben; sicher sei mir die Unterschrift von progressistischen Kreisen nur untergeschoben worden, um Verwirrung zu stiften! Dies müsse man dann unbedingt so schnell wie möglich öffentlich richtigstellen.
Immer wurden in diesen Gesprächen auch Andeutungen zum Thema Homosexualität gemacht. Beispielsweise hieß es, da hätten auch »Homo-Ideologen« unterschrieben, oder ob ich nicht wisse, dass derjenige, den ich da in einer Fußnote oder einem Lexikonartikel lobend erwähnt hätte, homosexuell sei? Oder auch: »Sicher wussten Sie das nicht, aber so geht das nicht, da müssen Sie sich vorher informieren!«
Bei homosexuellen Beziehungen dürfe ich nicht »Lebenspartner« schreiben, das müsse dann heißen » Unzuchtspartner «, auch »Homosexualität« sei zu neutral, stattdessen solle ich besser von »widernatürlicher Unzucht« sprechen, ließ mich allen Ernstes ein emeritierter Dogmatikprofessor wissen, der einen meiner Lexikonartikel für das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon bereits seiner fachmännischen Zensur unterworfen hatte.
Oft wurden solche Andeutungen aber auch gemacht, ohne dass sie sich aus dem Zusammenhang ergeben hätten, so etwa bei einem Treffen mit zwei Dogmatikprofessoren aus der Fördergemeinschaft. Das Gespräch war recht kurz ausgefallen, die geistlichen Herren waren hungrig, und wir beschlossen, essen zu gehen. Das Treffen hatte in einem vom Opus Dei verwalteten Haus in der Kölner Südstadt stattgefunden, daher schlug ich vor, in irgendein Lokal am nahe gelegenen Rudolfplatz zu gehen. Die Idee löste zu meiner Überraschung große Bestürzung aus. Das gehe auf keinen Fall, das sei eine der »schmuddeligsten Ecken« von Köln, dort würden auch sehr oft Schwule essen gehen, ereiferte sich einer der Professoren, der sonst eher einen phlegmatischen Eindruck machte. Wir landeten dann in einem Kölschen Brauhaus; die uns bedienenden Kellner kannte ich, beide waren schwul.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt konnte ich die Mitglieder der Fördergemeinschaft nicht mehr so recht ernst nehmen, und die Zusammenarbeit zwischen uns wurde zu einer Art Katz-und-Maus-Spiel. Bisweilen provozierte ich die Herren ganz bewusst, wohl wissend, dass sie Informanten hatten, die das Internet und allerlei Zeitschriften zu meiner Person durchforsteten und bei jedem kleinsten Verdachtsmoment sofort Meldung erstatteten. Gleichzeitig wusste ich ganz genau, wie die Verantwortlichen der Fördergemeinschaft reagieren und welche beschwichtigenden Erklärungen und Kompromisse bei der Herausgabe der Zeitschrift sie von mir erwarten würden. Immer seltener ging ich darauf ein, denn meine Lust, die Zeitschrift weiter herauszugeben, ließ immer mehr nach.
Das ist übrigens keine singuläre Erfahrung. Immer wieder habe ich Geistliche oder andere kirchliche Bedienstete getroffen, die ihren Beruf anfangs mit großem Enthusiasmus und entsprechenden Erfolgen in der Pastoral ausgeübt hatten. Durch dauernde Bevormundung, Misstrauen oder restriktive, unsinnige Maßnahmen
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