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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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Abseits manövriert. Matthias Drobinski bemerkte dazu in der Süddeutschen Zeitung vom 23. August 2010, der Vorgang zeige, »welch geringen Wert das freie Wort derzeit in der katholischen Kirche hat - und warum die Kirchenkrise auch eine Kommunikationskrise ist«.
    Als kreuz.net Professor Hauke aufgrund seiner eigenen Aussagen den Vorwurf machte, er habe mich ja jahrelang gedeckt und wir seien Bundesgenossen gewesen, weswegen auch sein Stuhl als Vorsitzender der Fördergemeinschaft wackele, ging bei Theologisches erneut die Angst um. Zumal Hauke nicht nur Vorsitzender bleiben wollte, sondern - wie sich später herausstellte - auch Ambitionen hatte, neuer Herausgeber zu werden. So erhielt ich einige Tage später einen offiziellen Brief des Vorstands der Fördergemeinschaft, in dem es, bezugnehmend auf meine in der Frankfurter Rundschau und im Kulturmagazin west.art des WDR-Fernsehens geäußerte Vermutung, die Fördergemeinschaft habe schon längere Zeit um meine homosexuelle Veranlagung gewusst, heißt: »Wir ersuchen Sie, diesbezügliche schriftliche oder mündliche Äußerungen nicht zu wiederholen, da sie tatsachenwidrig und geschäftsschädigend sind.«
    Der konservative Kirchenjurist Alexander Pytlik, der schon im Fall St. Pölten zahlreiche Erfahrungen sammeln konnte, äußerte am 13. April 2010 auf der Internetseite kathnews.de im Zusammenhang mit dem Verhalten wichtiger Protagonisten der Fördergemeinschaft in meinem Fall eine ähnliche Vermutung: »Da hat >jemand< mit einer bestimmten Gruppe eventuell Interesse, >Theologisches< zu übernehmen und sich durch die öffentliche Abservierung von David Berger definitiv reinzuwaschen, nach dem Motto: >Wir distanzieren uns offiziell vom ganzen Homomilieu und nützen die >Ehrlichkeit< Bergers auf Facebook dazu brutal aus, damit man uns allen abnimmt, dass wir rein und absolut gar nichts mit Homomilieus jemals zu tun hatten<.«
    Der zweite Aspekt, der Haukes Vorgehen symptomatisch für unser Thema macht, ist sein Entsetzen darüber dass ich das »Licht der Öffentlichkeit« nicht gescheut habe. Er interpretiert meinen Schritt sogar als »Unverfrorenheit«, denn dadurch hätte ich der Fördergemeinschaft die Möglichkeit genommen, die Sache wie üblich zu handhaben, außerdem hätte ich die Chance auf eine Fortsetzung meiner Karriere in der Kirche verspielt.
    Als Homosexueller in der katholischen Kirche hat man sich eben diskret zu verhalten, man muss im Dunkeln bleiben oder sich dahin zurückziehen, wenn der untadelige Ruf angekratzt wurde. Das heißt dann wohl auch, dass man sich schweigend in die »Besinnung« verzieht und am theologischen Diskurs und am kirchlichen Geschehen vorerst nicht mehr teilnimmt.
    Das ist genau die Taktik, die auch im Fall St. Pölten zur Anwendung kam. Bischof Klaus Küng nahm den beiden betroffenen Geistlichen alle einflussreichen Ämter und verordnete ihnen den Rückzug in eine heilende »Zeit der Besinnung« an einem der Öffentlichkeit unbekannten Ort. Jeder in der katholischen Kirche weiß natürlich, was die frommen Worte in Wirklichkeit bedeuten: Sie sind die vornehme Umschreibung für einen Schuldspruch. So ist es sicher kein Zufall, dass der erwähnte Subregens nach dem entscheidenden Gespräch mit dem Bischof einen Schwächeanfall erlitt und wenige Stunden später stark alkoholisiert aus dem Fenster seiner Wohnung fiel.
    Zum einen liefert Hauke in seiner Reaktion auf meinen Rücktritt indirekt das perfekte Rezept, um Gegner mundtot zu machen und - zwecks Verfolgung eigener Interessen von ihren Ämtern freizustellen. Zum anderen zeigt sich hier wieder die allgegenwärtige Strategie bigotter Scheinwahrung in der katholischen Kirche, die unter anderem zu den vielen schweren Missbrauchsfällen geführt hat: Statt offen über das Vorgefallene und die konkrete Situation der Täter zu sprechen, um dann nicht nur kirchenrechtliche Schritte einzuleiten, sondern auch strafrechtliche und psychiatrische, macht man die Dinge zumeist »diskret« unter sich aus, mit höchsten Weihen aus Rom. Man schiebt die Täter aus dem Licht der wissenden Öffentlichkeit, indem man sie auf eine andere Pfarrstelle versetzt. Auch wenn dort die Gefahr besteht, dass sie rückfällig werden, kann man sich einer entscheidenden Sache sicher sein: Ein vor dem weltlichen Arm vorerst geschützter, aber jederzeit an die staatliche Justiz auslieferbarer Priester wird nicht gegen seinen Bischof oder den Papst aufbegehren. Er wird genau so handeln, wie es seine

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