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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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duzten, war ich nie mit ihm bei Facebook verlinkt. Ja, bis zu dem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass auch er dort ein Profil hat, über das er unter anderem mit dem in diesem Buch erwähnten suspendierten Subregens aus St. Pölten und anderen Protagonisten des heiligen Scheins öffentlich »befreundet« ist. Hauke muss also einen enormen Zeitaufwand auf sich genommen haben, um die vielen Profile, die es zu meinem Namen bei Facebook gibt, zu durchsuchen.
    Erst im Nachhinein erfuhr ich aus der Presseerklärung der Fördergemeinschaft, was man Skandalöses entdeckt hatte: Unter meinen vielen Verlinkungen war auch eine zu den Kölner »Gay Games« zu finden. Bei den Gay Games handelt es sich um eines der weltweit größten Breitensportturniere vor allem für Homosexuelle; 2010 fanden die Spiele in Köln statt und wurden von Außenminister Guido Westerwelle eröffnet.
    Da ich ähnliche Vorladungen bereits mehrmals erhalten hatte, ahnte ich schon, wie das geplante Inquisitionsverfahren auch diesmal wieder ablaufen würde. Zuerst das wohlfeile Angebot, alles als eine Fälschung oder ein Missverständnis auszugeben und das Skandalprofil löschen zu lassen. Der katholische Schein sollte schließlich auch jetzt noch unter allen Umständen gewahrt werden, vor allem im Eigeninteresse der Mitglieder der Fördergemeinschaft und der Zeitschrift. Dann die weitergehende Forderung, dass ich kritische Äußerungen zum konservativen Katholizismus und besonders zum gegenwärtigen Kurs des Papstes unterlassen solle. Andernfalls werde man Dinge wie mein Facebook-Profil gegen mich verwenden.
    Zu dem Gespräch kam es jedoch nicht mehr, denn an diesem Abend beschloss ich, dass ich mich schon viel zu lange auf dieser Spielwiese der Scheinheiligkeit getummelt hatte. Nicht zuletzt auch wegen des Unheils, das jahrzehntelange Heimlichtuerei und Vertuschung bei den vielen Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche angerichtet hatten, wollte ich an diesem Kult des falschen Heiligenscheins nicht länger teilnehmen. Ich dachte an ein Wort aus dem Johannesevangelium (8,32), das der Lieblingsjünger Jesu, der beim letzten Abendmahl an seiner Brust liegen durfte, verfasst hat: »Die Wahrheit wird euch frei machen!«
    Noch in derselben Nacht legte ich in einem Brief an die Mitglieder der Fördergemeinschaft mein Amt als Herausgeber und Chefredakteur von Theologisches nieder. Zur Sicherheit mailte ich den Brief gleichzeitig an einige Nachrichtenagenturen; damit wollte ich einer entstellenden Darstellung der Vorgänge durch die Verantwortlichen der Fördergemeinschaft zuvorkommen. Wenige Stunden später brachten das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche sowie kath.net die Nachricht. Als Grund für meinen Rückzug gab ich an, dass ich eine »Einmischung in mein Privatleben durch die Fördergemeinschaft auf den Zuruf bigotter Seelen hin« nicht länger hinnehmen wolle. Ich hielt die Begründung bewusst so allgemein, da mir ja nicht genau gesagt worden war, was man mir vorwarf. Zudem wollte ich meinem nächsten Schritt, den ich schon seit längerem ins Auge gefasst hatte, nicht zu viel Wind aus den Segeln nehmen: Am nächsten Tag begann ich, einen Artikel zu verfassen, in dem ich mich öffentlich outete und zugleich die Hintergründe dieses Schrittes näher erläuterte. Der Text erschien am 23. April 2010 unter der Überschrift »Ich darf nicht länger schweigen« in der Frankfurter Rundschau, einen Tag später, etwas gekürzt, im Kölner Stadtanzeiger.

»Unverfroren das Licht der Öffentlichkeit gesucht«
    Die erste offizielle Reaktion auf meinen Rücktritt kam schon am übernächsten Tag, also etwa zehn Tage bevor mein Outing-Artikel in den Zeitungen erschien. Ein befreundeter Geistlicher, der der Fördergemeinschaft nahesteht, hatte am Tag zuvor erfolglos versucht, eine Eskalation im Sinne einer öffentlichen Auseinandersetzung zu verhindern. Doch der Schock der Fördergemeinschaft über meinen Schritt an die Öffentlichkeit war zu groß, als dass man sich jetzt auf Kompromisse oder vornehmes Schweigen eingelassen hätte. Nachdem die erste Schreckstarre verflogen war, meldete sich zuerst Professor Hauke, der sich im Übrigen zu keinem Zeitpunkt der Auseinandersetzung um ein klärendes Gespräch mit mir bemüht hatte, öffentlich zu Wort, und zwar zunächst am 13. April 2010 auf der Internetseite kath.net . Im Mittelpunkt des Artikels stand die Aussage, ich sei mit meinem Rücktritt nur einem »Hinauswurf« seitens der

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