Der heilige Schein
Institut versteht sich als ein Werk der politischen und sozialen Aktion im Sinne der Piusbruderschaft. Ziel ist die Rechristianisierung Deutschlands bzw. der Kampf gegen die »Diktatur des Relativismus« und für einen katholischen Gottesstaat, in dem solche Torheiten wie demokratische Grundrechte keinen Platz mehr haben. Unter der Überschrift »David Berger verkauft sich an die Linken« lässt der anonyme Autor die Leser am 23. April 2010 wissen: »Dr. theol . habil. David Berger braucht eine neue Einkunftsquelle, nachdem er seinen Job als Herausgeber der neokonservativen Zeitschrift Theologisches verloren hat. Deshalb veröffentlicht er in der linksradikalen Frankfurter Rundschau einen Gastbeitrag, in dem er sich zum Fürsprecher aller Homosexuellen in der Kirche macht.« Dass ich mich selber zur Homosexualität bekannt hätte, sei einfach nur verrückt. Mein ganzer Artikel sei »eine sehr traurige Rechtfertigung eines Menschen, der jeden Halt in der Wahrheit verloren hat«. [58]
Auch hier konnte man sich meine Ehrlichkeit nicht anders erklären als mit monetären Interessen - dass meine Arbeit für Theologisches über sieben Jahre ehrenamtlich erfolgte und ich auch für meinen Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau kein Honorar erhalten hatte, spielt in einem Klima, in dem die Ideologie und der Kampf für das Privateigentum (TFP) bestimmen, was Wahrheit ist, keine Rolle mehr.
Die Internetseite kath.net blieb angesichts meiner »Unverfrorenheit« sprachlos. Untätig blieb man allerdings nicht: Obwohl mich der Chef der Internetseite, Roland Noé, noch zwei Wochen vorher gebeten hatte, doch wieder öfter bei kath.net mitzuarbeiten, wurden alle meine früheren Beiträge und Interviews kommentarlos von der Seite gelöscht. Mich erinnerte das an die aus der Antike bekannte » damnatio memoriae «: War eine Person besonders verachtet oder verhasst, tilgte man ihren Namen aus allen schriftlichen Aufzeichnungen, und niemand durfte ihn in Zukunft auch nur erwähnen. Mehrere Anfragen bei Herrn Noé, was denn mit meinen Beiträgen passiert sei, blieben unbeantwortet. Noés Vorgehen war aber auch so äußerst durchsichtig. Er lieferte damit ein schönes Beispiel dafür, wie man den heiligen Schein einer von schwulen Theologen unbefleckten Kirche respektive katholischen Internetseite wiederherstellen kann, indem man sich selbst und seinen Lesern kräftig in die Tasche lügt.
Mit deutlicher Verspätung äußerte sich auch Hauke, der inzwischen die Herausgeberschaft von Theologisches übernommen hatte. Mein Rücktritt sei nur einem notwendigen Rauswurf im Sinne einer »gerechten Diskriminierung« zuvorgekommen, wiederholte er im Editorial der neuen Ausgabe der Zeitschrift vom Juni 2010. In dem Text kommt deutlich seine Verbitterung zum Ausdruck, dass ich durch meinen Rücktritt der gerechten Strafe zuvorgekommen bin.
Theologisches habe als Aufgabe »die Profilierung des Katholischen gegenüber der fast überall dominierenden »Diktatur des Relativismus<«, heißt es da. Die »Umstände des persönlichen Lebens von Dr. Berger« seien dagegen Ausdruck der derzeitigen »Krise des Glaubens und der Moral« in der katholischen Kirche. Auch hier begegnet uns wieder der Stil von kreuz.net , wenn Hauke schreibt, mit dem offenen Bekenntnis zu meiner Homosexualität zeigten sich die »Giftstoffe des moralischen Verfalls« besonders deutlich.
Dass die Krise der Kirche nicht durch schwule Laien, die ehrlich zu ihrer Veranlagung stehen, verursacht wurde, sondern durch pädophile Geistliche und weit mehr noch durch den Kult des heiligen Scheins mit seinen Vertuschungsstrategien , übersieht Hauke geflissentlich. Deshalb auch das Lamento über meinen »Gang an die Öffentlichkeit«. An ihm werde eine Verwirrung ansichtig, die »für manche theologische Milieus im deutschen Sprachraum nicht untypisch« sei. Gegen diese Verwirrung werde man in Zukunft bei Theologisches mit größter Entschiedenheit antreten.
Genau das, was ich befürchtet hatte und was mich die letzten Jahre als Herausgeber der Zeitschrift trotz allem hatte durchhalten lassen, trat bereits kurz darauf ein. Die beiden Themen, die kreuz.net seit Jahren umtreiben, bestimmten die zwei nächsten Ausgaben der Zeitschrift: der scheinheilige Kampf gegen die Homosexualität und der Kampf für die alte Liturgie. Hinzugekommen ist noch der enge Schulterschluss mit reaktionären evangelikalen Kreisen, die eine fundamentalistische Bibelauslegung propagieren.
Gott ekelt sich, und der
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