Der heimliche Rebell
einen Händedruck. „Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“
„Aber natürlich nicht“, sagte Mrs. Frost lächelnd. Heute trug sie ein elegantes braunes Kostüm aus einem steifen Stoff, dessen Namen er nicht kannte. „Nehmen Sie doch Platz.“
„Danke.“ Er setzte sich ihr gegenüber. „Ich sehe keinen Nutzen darin, bis zum letzten Augenblick zu warten.“
„Sie haben sich entschieden?“
Allen sagte: „Ich nehme den Posten an. Und ich möchte mich dafür entschuldigen, die Entscheidung so lange hinausgeschoben zu haben.“
Mit einer nachlässigen Handbewegung wischte Mrs. Frost seine Entschuldigung beiseite. „So etwas soll man nicht überstürzen.“ Dann leuchtete ihr Gesicht freudig auf, und sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln voller Wärme. „Ich freue mich so.“
Bewegt sagte er: „Ich mich auch.“ Und er meinte es ernst.
„Wann können Sie anfangen?“ Sie lachte und hielt ihre Hände hoch. „Schauen Sie sich das an; ich bin so nervös wie Sie!“
„Ich möchte so bald wie eben möglich anfangen.“ Er ging mit sich selbst zu Rate; es würde wenigstens eine Woche dauern, die Angelegenheiten in der Agentur zu regeln. „Wie wäre es mit Montag in einer Woche?“
Sie war enttäuscht, bemühte sich aber, es sich nicht anmerken zu lassen. „Ja, so viel Zeit sollten Sie sich schon für den Wechsel lassen. Und – vielleicht könnten wir uns auch auf privater Ebene näher kennenlernen. Wir könnten an einem der nächsten Abende zusammen essen. Oder uns zum Jonglieren treffen. Ich spiele leidenschaftlich gern; ich bin immer auf der Suche nach guten Partnern. Und ich möchte unbedingt Ihre Frau kennenlernen.“
„Fein“, sagte Allen, von ihrer Begeisterung angesteckt. „Das läßt sich bestimmt arrangieren.“
11
Der Traum, groß und grau, den Fetzen eines im Winde flatternden Gespinstes gleich, verdichtete sich um ihn und wob ihn gierig ein. Er schrie, aber an Stelle von Lauten trieben Sterne aus ihm heraus. Die Sterne stiegen hoch bis an die Wehr aus Gespinst, stießen hart an und wurden ausgelöscht.
Wieder schrie er, und dieses Mal rollte ihn die Kraft seiner Stimme hangabwärts. Durch tropfnasse Ranken brechend, kam er in einem schlammigen Graben zu liegen, einer Rinne, in der träge aufgestautes Wasser schwappte. Brackig stieg ihm die Brühe in die Nase, drohte ihn zu ersticken. Er keuchte, zappelte, kroch, bis er gegen Wurzeln stieß.
Da lag er nun: in einem feuchten Dschungel aus wucherndem Leben. Die dampfenden Kolosse der Pflanzen drückten und schubsten einander beiseite, gierig nach Wasser. Sie tranken geräuschvoll, wuchsen und dehnten sich aus, verstreuten aufplatzend einen prasselnden Hagel winziger Teilchen. Rings um ihn veränderte sich der Dschungel. Jahrhunderte verstrichen. Mondlicht, gefiltert durch üppig wucherndes Blattwerk, nieselte klebrig und gelb rings um ihn, so dick wie Sirup.
Und inmitten des kriechenden Pflanzenbreis war da ein künstliches Gebilde.
Darauf nun kämpfte er sich zu, mit ausgestreckten Armen. Das Gebilde war flach, dünn, von kalter, harter Strenge. Es war undurchsichtig. Es war aus Brettern verfertigt.
Freude überschwemmte ihn, als er seine Kante berührte. Er schrie, und diesmal trug das Geräusch seinen Körper aufwärts. Er schwebte, trieb, krallte nach der hölzernen Oberfläche. Seine Nägel scharrten, und Splitter bohrten sich in sein Fleisch. Mit einem metallenen Rad sägte er durch das Holz, löste es ab wie eine Schale. Trampelte darauf herum, als es am Boden lag. Das Holz brach mit einem lauten Knirschen, das in der Traumstille endlos widerhallte.
Hinter dem Holz war Stein.
Ehrfürchtige Scheu überfiel ihn, als er auf den Stein starrte. Der Stein hatte allem getrotzt; er war nicht weggeschafft oder vernichtet worden. Er ragte immer noch so auf, wie er ihn in Erinnerung hatte. Nichts hatte sich verändert, und das war sehr gut. Diese Empfindung erfüllte ihn durch und durch.
Er suchte sich einen festen Stand, streckte die Hand aus und riß ein rundes Stück aus dem Stein heraus. Von dem Gewicht niedergezogen, stolperte er davon und tauchte kopfüber in die pulsierende Wärme des Pflanzenbreis.
Eine Zeitlang lag er keuchend da, das Gesicht in den Schleim gepreßt. Einmal spazierte ein Insekt über seine Wange. Weit entfernt regte sich etwas voller Trauer. Nach einer schier endlosen Spanne stemmte er sich hoch und begann zu suchen. Der runde Stein lag halb im Schlick begraben, direkt am Rande der
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