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Der Heiratsspezialist

Der Heiratsspezialist

Titel: Der Heiratsspezialist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zurück. Hat vorhin angerufen. Toller Betrieb. Ein Ausflug der Firma Transatlantic Electric. Vierundneunzig von ihren Frauen befreite Ehemänner im besten Alter. Bei Pipers rappelt es. Jenny sagt, die Kerle gehen an sie ran, als wäre sie eine Kletterwand. Ich habe schon zwei Kästen Eis nachgeschickt. Ist heute ein guter Tag, Boß …«
    »Die Schlange!« sagte Erika tonlos. »Bob, die Schlange …«
    Bob rannte ins Schlafzimmer, den Säbel von sich gestreckt wie bei einem Sturmangriff alten Stils. Vor dem Bett blieb er stehen und musterte die Schlange. Ein Prachtexemplar, dick wie zwei Daumen, mit einer glatten, schimmernden Haut, einem wohlgeformten, etwas abgeplatteten Kopf, runden schwarzen Knopfaugen und einer gespaltenen Zunge, die blitzschnell aus dem Maul hervorschoß, züngelte und dann wieder verschwand. Knapp einen Meter lang mochte das Tier sein – man konnte es schlecht schätzen, sie hatte sich wohlig zusammengerollt und schien Bob zuzublinzeln. Wer Schlangen mag, hätte vor Begeisterung durch die Nase geseufzt, aber der Kreis der Schlangenenthusiasten ist begrenzt. Bob gehörte nicht dazu. Die Schönheit dieses Tieres nahm er nicht wahr, er sah nur einen ekelerregenden, glatten, zusammengerollten Körper und einen Kopf, der leicht hin und her pendelte, als wiege er sich im Takt nach einer unhörbaren Melodie.
    Bob starrte die Schlange an, stützte sich auf den alten Militärsäbel, statt mit ihm zuzuschlagen, und gestand sich ein, daß es ihm unmöglich war, das Biest mit einem gut gezielten Hieb zu köpfen. Er hatte noch nie ein Tier getötet, wenn man von Moskitos, Mücken und Fliegen absieht, und selbst dabei empfand er immer ein Unbehagen. Mäuse hatte er nie gefangen oder umgebracht; er erinnerte sich noch an seine Kinderzeit, wo er im Haus herumgelaufen war und alle Mäusefallen entschärft hatte, damit den Tieren nichts passierte. Als er zum erstenmal gesehen hatte, wie Onkel Steve ein Huhn einfing, auf einen Holzklotz legte und ihm mit einem blinkenden Beil den Kopf abschlug, brachte er keinen Bissen des später so knusprigen Bratens hinunter, sondern lag mit Fieber im Bett und träumte drei Nächte lang von einem Huhn, das herumlief und seinen Kopf suchte.
    »Aus dem Jungen wird nie etwas!« hatte der robuste Onkel Steve gesagt. »Ein Weichling! Dem platzt ja die Hose vor Schiß, wenn er eine Spinne tottreten soll. Völlig untauglich für das harte Leben!«
    Bob war nun mal so; er hatte auch nie eine Spinne zertreten. Hinter seiner Orgel in der Kirche von Atlanta wimmelte es von Spinnen; während er spielte, krabbelten sie zwischen den Orgelpfeifen herum, und einmal spannte sich ein wunderschönes Netz zwischen dem linken Hauptwerk und den linken Pedalpfeifen, aber Bob, damals immerhin schon ein Mann von dreißig Jahren, bereits entlobt und mit einer Ehrenurkunde für vorzügliches Spiel von Bach-Fugen ausgezeichnet, unternahm nichts. Er spielte gerade den Choral ›Hinauf zum Himmel schauen wir …‹, den seine Finger bereits perfekt beherrschten, und betrachtete dabei gedankenvoll die dicke Spinne, wie sie mit rätselhaftem Kunstverstand ihr herrliches Netz vollendete.
    Später, nachdem bei einer Veranstaltung des Schulchores ein Mädchen, dem eine Spinne über den Nacken ins Kleid rutschte, in Ohnmacht gefallen war, entschloß sich Bob zu dem Kompromiß, die Spinnen an seiner Orgel mittels einer großen Sprühdose zu vergasen. Nie aber, nie hatte er jemals ein Tier über Fliegengröße mit eigener Hand getötet – und daher war es ihm unmöglich, mit dem ererbten Säbel zuzuschlagen. Schon bei dem Gedanken daran wurde ihm übel.
    Bob wechselte noch einmal einen Blick mit der offensichtlich zufriedenen Schlange, ging dann ins Wohnzimmer zurück und setzte sich auf das Sofa. Erika stand noch immer unbeweglich, dort, wo Harry sie hingetragen hatte. Nur ihre Augen bewegten sich.
    »Ist sie tot?« fragte sie durch die fast geschlossenen Lippen.
    »Nein!« Bob legte den Säbel quer über seine Knie. Die Schneide war rostig. Onkel Steve hatte behauptet, das wären noch Überreste von Indianerblut, ohne damit dem kleinen Bob auch nur im geringsten zu imponieren, denn der hielt Blut nicht für Heldensaft.
    »Du hast sie nicht mehr gesehen?« stammelte Erika.
    »Sie liegt noch im Bett. Solange wir sie nicht reizen, fühlt sie sich dort wohl.«
    »Bob! In meinem Bett …«
    »Das ist ja die Gemeinheit. Diese Art von Schlangen gibt es hier nicht … Las Vegas liegt in der Wüste, und wenn schon

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