Der Heiratsspezialist
nicht.«
»Wie muß ein Gangster aussehen? Wie ein sonnenbebrillter Mafiaboß mit Schlapphut!« Bob schüttelte den Kopf. »Immer diese Kino-Klischees! Wir alle fallen darauf rein – ich auch! Ich habe bei meinem ersten Deutschlandaufenthalt nach Lederhosen und Sauerkrautgeruch gesucht. – Kennen Sie Babyface?«
»Nein! Muß man den kennen?« fragte Juliane verblüfft.
»Babyface war ein Mann, der ein so liebes Kindergesicht hatte, daß jeder ihn streicheln wollte. Ein Engelsköpfchen – einfach süß. Er war einer der brutalsten Massenmörder der USA!« Bob zeigte auf sich. »Wer sagt Ihnen, daß ich kein Gangster bin?«
»Ich fühle das, Bob!«
Dieser Satz hätte Bob warnen müssen, aber er überhörte ihn. Im Gegenteil, er war so geschmeichelt, daß er Juliane unterfaßte und in den Speisesaal geleitete. Der reservierte Tisch war mit einem Blumensträußchen dekoriert und stand in einer Ecke. Bob hatte es so verlangt, um ungestört mit Juliane verhandeln zu können. Der Oberkellner, der zwei Jahre in Los Angeles gewesen war, sah das anders. »Er will den Rücken frei haben«, hatte er zu seiner Servierbrigade geflüstert. »Das ist typisch für einen Gangster. Immer mit dem Rücken zur Wand!«
Sie aßen eine Schildkrötensuppe Lady Curzon, aus der sich Bob gar nichts machte, da sie seiner Ansicht nach wie Salzwasser schmeckte, aber da Juliane sie gewünscht hatte und sie auch mit sichtlichem Verzücken schlürfte, mußte er annehmen, daß es sich um eine ihm fremde und seinem Geschmack nicht zugängliche Köstlichkeit handelte. Auch der Hauptgang des Essens – gekochter Seehecht in Champagnersoße – kam ihm leimig und pappig vor; ein richtiges Farmersteak mit einem großen Klecks Tomatenketchup und Kartoffelchips, die so richtig zwischen den Zähnen knackten, wären ihm lieber gewesen.
Juliane bestellte auch eine sehr teure Flasche Wein, einen Chablis, von dem Bob nur ein halbes Glas trank, weil er ihm zu sauer war. Aus Wein hatte er sich nie viel gemacht. Auch Jenny sagte: »Wein? Brrr! 'n strammes Bier ist mir lieber …« Juliane dagegen schwärmte von diesem Wein. Sie schluckte ihn nicht gleich hinunter, sondern kaute immer erst eine Weile auf der Flüssigkeit herum, was Bob mit ratloser Faszination beobachtete.
Beim Essen sprachen sie über das Hamburger Wetter, das ausnahmsweise freundlich war, und Bob erzählte von Las Vegas und aus seinem Leben. Juliane erwies sich als eine musikkundige Frau, kannte sogar das Trompetenkonzert von Tschaikowskij, das in den Konzertsälen kaum noch zu hören ist. Es zählte zu Bobs Lieblingsstücken; er hatte es studiert und gespielt – nicht öffentlich, sondern zu Hause neben einem Kassettenrecorder, in dem eine Bandaufnahme des Konzertes lief, zu der er dann den Solopart schmetterte. Dabei war Bob immer sehr glücklich gewesen.
»Wir benehmen uns wie Pensionstöchter, die über Männer reden wollen, aber von Schmetterlingen sprechen. Bob – kommen wir endlich zur Sache!« Juliane sagte es unvermittelt, als der Oberkellner persönlich das Dessert brachte: Einen Eisbecher à la Chef. Hier kannte sich Bob nun bestens aus, ließ das Eis auf der Zunge schmelzen – wie vorher Juliane den Wein – und war verblüfft über die gute Eisqualität.
»Was soll Ihre Anzeige bedeuten? Wenn ich Sie so vor mir sitzen sehe, kommt es mir unwahrscheinlich vor, daß Sie per Annonce eine Freundin suchen müssen! So wie Sie aussehen, laufen Ihnen doch die Mädchen nach!«
Bob lächelte breit. Juliane gefiel ihm. Ihre offene Art ließ keinen Raum für Probleme. Sie sagte, was sie dachte, und das völlig klar und nüchtern.
»Ich will heiraten!« antwortete Bob. »Berufsmäßig! Ich biete durch Heirat die amerikanische Staatsbürgerschaft und garantiere dabei vollkommene Korrektheit, also eine schnelle Scheidung. Natürlich kostet das ein paar …«
»Wieviel?« fragte Juliane Hatzle nüchtern.
»Das kommt auf den jeweiligen Fall an!« erwiderte Bob vorsichtig.
»Sie sind ein armer Hund, nicht wahr?«
»So kann man das nicht nennen. Ich habe einen Ice-Saloon in Las Vegas geerbt. Um ihn zu erhalten, muß ich heiraten. Die Idee ist doch gut, nicht wahr? Man kann sie sogar humanitär nennen …«
»Bei einigem Wohlwollen und geschlossenen Augen … zugegeben!« Juliane trank wieder ihren Chablis und kaute auf ihm herum. Dann sagte sie: »Ehrlichkeit gegen Ehrlichkeit, Bob: Ich muß nach Amerika und muß Amerikanerin werden.«
»Wohin?«
»Nach Algona am East Fork-River.
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