Der Heiratsspezialist
Bob dann so zaghaft küßte. So etwas bleibt haften. Es muß ja nicht gerade eine Hochzeit sein wie damals bei Steff Lammy, dem Texaner, der nach dem Ja-Wort seine Frau ergriff, ohrfeigte, würgte und gegen die Wand warf, weil sie dem linken Trauzeugen zugeblinzelt hatte. Vier Riesen von der Militärpolizei mußten den Tobenden überwältigen und abschleppen. Eine Woche später war er geschieden, und seine Frau heiratete den Trauzeugen.
»Bob, wie geht's Ihrer Frau?« fragte Nesswick, nachdem man sich mit Hallo begrüßt hatte. »Sie wagen es, so ein Mädchen allein zu lassen?«
»Ich muß!« antwortete Bob unbefangen. »Ich will heiraten …«
»Was wollen Sie?« Nesswick rieb sich den Nasenrücken. »Sagen Sie bloß, diese glückliche Ehe ist schon zerbrochen.«
»So ist es! Wir sind geschieden. Und jetzt will ich es wieder wagen.«
»So schnell aufeinander?«
»Um zu vergessen, Sir. Außerdem war es einfach zu schön … nie allein im Bett. Keine Hetzerei mehr, um jemanden hineinzubekommen. Man kommt nach Hause, und das Kopfkissen ist belegt. Daran kann man sich gewöhnen.«
Clifford Nesswick war ein Gentleman, der über solche Dinge nicht sprach. Seine puritanisch erzogene Frau hätte sich so etwas auch verbeten. Außerdem hatte Nesswick ein Verhältnis zu seiner Sekretärin zu verbergen, und das tut man am besten unter dem Deckmantel sittlicher Strenge.
»Sind die Papiere in Ordnung?« fragte er deshalb etwas kühler.
»In drei Tagen können wir sie einreichen, Sir. Meine Braut ist Beamtin, da ist nicht nur der Arbeitsplatz in Ordnung, sondern auch das Privatleben. Die Formulare können wir also schon ausfüllen.«
Nesswick nickte, suchte die Eheanträge heraus und griff nach einem Bleistift. Bob diktierte, und Nesswick schrieb mit. Als Julianes Geburtsdatum an die Reihe kam, blickte Nesswick auf.
»Sie haben sich um zwei Jahrzehnte geirrt!« mahnte er. Bob lächelte säuerlich und schüttelte den Kopf.
»Nein, Sir.«
»Ihre Braut ist doch nicht 51 Jahre alt!«
»Ich kann sie nicht jünger machen.«
Nesswick legte den Bleistift auf den Fragebogen und lehnte sich zurück. »Bob«, sagte er mit väterlichgütiger Stimme, »wir beschäftigen in der Botschaft auch einen Psychiater. Ein sehr guter Mann! Hat Verständnis für alles. Ich rufe ihn gern mal rüber …«
»Juliane ist eine hübsche Frau!«
»Wer zweifelt daran?! Aber ich möchte wetten, daß Sie bald wieder hier sitzen und zu mir sagen: Ich möchte heiraten …«
»Das könnte möglich sein, Sir.« Bob lächelte verhalten. Dieses Jahr höchstens noch einmal, dachte er. Dann fliege ich mit Jenny auf die Bahamas, aale mich im Sand, kraule ihr Bauch und Busen und genieße den Verdienst von drei anstrengenden Geschäftsabschlüssen. Im nächsten Jahr könnte man dann vier Verträge schaffen; jedes Vierteljahr einen, das ist ökonomisch vertretbar, sowie nervlich und körperlich durchzustehen. Auch wenn man allmählich Routine bekommt – so ganz cool wird nie ein Geschäft über die Bühne laufen. Dazu habe ich zuviel Charakter. Da sitzt einem das Gewissen im Nacken, redet die Seele mit.
Wahrscheinlich werde ich mich nie daran gewöhnen können, in der Vertragspartnerin nur eine Ware zu sehen, der man einen anderen Namen verpaßt und sie dann einfach in den USA abliefert. Bob, das wird dir nie gelingen!
»Man muß nicht immer heiraten, um mit einer Frau – ich meine … es geht auch anders. Bob, stellen Sie sich doch nicht so stur! Sie wissen doch, was ich meine …« Nesswick rang nach gesetzten Worten. Mit ein paar Kraftausdrücken hätte man das alles viel einfacher sagen können. Aber das war nicht sein Stil; die vereinfachende plastische Sprache verabscheute er; sie war ein Zeichen kulturellen Verfalls. Es genügte, wenn sein Sohn so ordinär sprach. »Sie kennen doch die Geschichte von dem Glas Milch, Bob …«
»Juliane und ich sind keine Sexartisten, Sir.«
Nesswick wurde rot, das Gespräch wurde ihm sichtlich peinlich. »Ist sie reich?« fragte er.
»Mäßig«, antwortete Bob vorsichtig. »Keine geborene Dupont oder Rockefeller.«
Nesswick wurde wieder dienstlich. »Es bleibt also dabei? Sie wollen Juliane Hatzle, 51 Jahre alt, heiraten?«
»Es ist mein fester Wille, Sir.«
»Was alles so in einem menschlichen Kopf vorgehen kann!« sagte Nesswick ergriffen. »Wenn mir die Papiere vorliegen, können wir sofort trauen. Ich will Ihrem Glück nicht im Wege stehen …«
An diesem Abend gönnte sich Bob eine Flasche Sekt. Er
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