Der Heiratsspezialist
Kollegen aus Washington fast mitleidig an. »Das läuft jetzt wie ein Uhrwerk.«
Irgendwie aber schien in das Uhrwerk Sand geraten zu sein. Das zeichnete sich schon ab, als der Intercity ausnahmsweise in Hodenhagen hielt und die Kriminalpolizei aussteigen ließ. Über Funk teilten die Hubschrauber mit, daß das Gelände auch mit Scheinwerfern nicht auszuleuchten sei, man fliege zwar niedrig, aber ein Mann könne sich sehr gut in dem Kusselgelände verstecken, indem er sich einfach platt auf die Erde legt, zum Beispiel hinter einen Busch.
Die Hundestaffel raste in drei Einsatzwagen, mit heulenden Sirenen, von Allerhop heran, aber sie würde erst in einer halben Stunde am Ort sein. Man habe sie völlig falsch plaziert.
Die Experten!
Dafür klappte die Straßensperrung reibungslos. Das war eine Spezialität der deutschen Polizei, vieltausendfach geübt im Terroreinsatz: Autos anhalten, das konnte man. Die erste Erfolgsmeldung traf schon nach zehn Minuten ein: An der Autobahnabfahrt Walsrode-Süd kassierte man einen Türken auf dem Weg nach Bremen. Man fand bei ihm fünfzig Gramm reines Heroin. Das hatte zwar nichts mit Bob Brook zu tun, doch der Einsatzleiter rieb sich trotzdem die Hände. Solche Nebenprodukte sind Balsam für eine wunde Kriminalistenseele.
Für zehn Stunden wurde der kleine Heideort Hodenhagen zum Mittelpunkt einer großen Polizeiaktion. In der Wirtschaft ›Zur Schnucke‹ hatte die Kripo ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Hier liefen alle Fäden zusammen, und hier schlief in einem schön bemalten Bauernbett in Zimmer 2 Juliane Hatzle, nachdem ihr der Polizeiarzt eine Beruhigungsspritze gegeben hatte. Der FBI-Mann langweilte sich, trank die einzige Whisky-Flasche der Wirtschaft leer und wartete, bis der deutsche Einsatzleiter endlich zu ihm kam und beichtete: »Alles ist Scheiße! Der Kerl ist durch die Lappen …«
Was ein solches Eingeständnis für einen deutschen Beamten bedeutet, kann nur der ermessen, der weiß, daß sich ein Beamter nie irrt. Nach zehn Stunden stand endgültig fest, daß die große Polizeiaktion abgeblasen werden mußte, wollte man nicht noch mehr Steuergelder vergeuden.
»Fassen wir zusammen«, sagte der Hauptkommissar bei der abschließenden Lagebesprechung. »Der Geldbote ist entwischt. Die Luftüberwachung hat nichts ergeben, die Hundestaffel blieb ergebnislos, es ist möglich, daß der Täter durch einen Bach gewatet ist und deshalb keine riechbare Spur hinterlassen hat. Die Straßenkontrollen ergaben: Ein Türke mit Heroin, neun Fahrer ohne Führerschein, sechs über 1,5 Promille Alkohol, drei mit fehlerhafter Beleuchtung und einer mit abgefahrenen Reifen! Ein Wagen mit neunundzwanzig Tonbandgeräten – wahrscheinlich Diebesgut. Der Fahrer leugnet.«
»Und die 200.000 Mark?« fragte der FBI-Mann. Er war ein ausgesprochen unangenehmer Kollege.
»Der Fall geht ja weiter!« sagte der Hauptkommissar spitz. »Auch in Amerika hat man den Entführer des Lindbergh-Babys nicht sofort geschnappt.«
Das stimmte. Der FBI-Kollege zuckte wortlos mit den Schultern und verzichtete darauf, den Unterschied zwischen den beiden Fällen zu erläutern.
Am Abend, gegen 22 Uhr – die Polizei hoffte jetzt auf den lieben Kommissar Zufall – läutete bei Juliane Hatzle wieder das Telefon. Die tiefe Stimme meldete sich. Juliane seufzte und begann kalt zu schwitzen. Der Polizist, der bei ihr Wache hielt, schaltete sofort das Tonband an.
»Das hat ja gut geklappt!« sagte die tiefe Stimme. Stimm-Experten hatten inzwischen herausgefunden, daß sie verstellt war. »Die Summe stimmt, wir haben nachgezählt. Keine einzige Blüte dabei! Wir bedanken uns!«
»Wo … wo ist Bob?« stammelte Juliane. »Sie haben versprochen –«
»Wir sind Ehrenmänner! Sie können Bob abholen. Er liegt auf einer Bank hinter dem Bismarckdenkmal. Und er schläft so selig …«
Die ersten, die am Bismarckdenkmal auftauchten, waren die Männer von der Davidswache. Dann wimmelte es von Polizeiwagen, wieder wurde alles abgesperrt, Spurensucher gingen ans Werk. Es stimmte: Bob Brook lag auf einer Bank und schlief fest. Er wachte auch nicht auf, als man ihn anrief oder rüttelte. Man hatte ihn betäubt, aber er atmete kräftig. Ein Krankenwagen brachte ihn sofort ins nächste Krankenhaus, es war das Tropenkrankenhaus am Hafen. Dort stellte man fest, daß zwei Komponenten am Werk waren: Ein injiziertes Schlafmittel und ein grandioser Vollrausch.
»Wir wollen ihn nicht gewaltsam wecken«, sagte der untersuchende
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