Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
sie irgendwie künstlerisch herumdilettierte –, doch was sich hier wirklich anbahnte, war eine sexuelle Transaktion. Daran zweifelte er nicht.
»Vielleicht morgen früh – oder jede andere Zeit, wie immer es dir am besten passt, Mister Farkas – heute Abend vielleicht …« Hoffnungsvoll, eifrig, sogar drängend.
Er stellte sich vor, dass er sie modellierte. Er war alles andere als ein Künstler, hatte sich auch nie um solche Sachen gekümmert. Wie würde er es anfangen? Er würde die Linien und Kurven ihres Körpers erfassen müssen, mit den Händen. Die wirkliche Form all dessen durch Berührung entdecken, was er nicht direkt sehen konnte, die geometrischen Abstraktionen, die er wahrnahm, umwandeln in die wirklichen runden Formen von Brüsten, Schenkeln, Gesäß.
»Je eher, desto besser«, sagte er. »Zufällig habe ich heute Nachmittag nichts vor. Vielleicht wäre es dir ja möglich, deine Vorstudien und die Ausmessung meines Gesichts heute bereits vorzunehmen, auch wenn du das später nötige Material, das du brauchst, noch nicht besorgt hast, und danach …«
»O ja! Das wäre großartig, Mister Farkas!«
Sie griff über den Tisch nach seinen Händen und umklammerte sie fest. Farkas hatte nicht erwartet, dass sie den vorgeschützten Vorwand, es handele sich um rein künstlerisches Interesse, ganz so rasch fallen lassen werde; aber trotz all seiner eingefleischten Vorsicht war er jetzt von ihrem ungeduldigen hitzigen sexuellen Drängen gefesselt. Auch er hatte Bedürfnisse. Und es störte ihn schon seit langem nicht mehr, dass gerade seine Absonderlichkeit auf manche Frauen besonders faszinierend wirkte.
Doch dann gab es eine Unterbrechung. Eine männliche Stimme, ein saftiger dröhnender Bass: »Da bist du ja, Jolanda! Ich habe dich schon überall gesucht! Aber ich sehe, du hast einen neuen Freund kennengelernt!«
Farkas wandte sich um. Von links näherte sich eine Gestalt, kleiner als der Durchschnitt, dunkel. Für ihn sah der Mann aus wie eine einzelne Säule aus erstarrtem schimmernden schwarzen Glas, die von einem schmalen Fuß zu einer breiten Spitze aufstieg. Eine makellose Oberfläche, glatt, perfekt. Farkas wusste sofort, dass er den Mann schon einmal getroffen hatte, irgendwo, vor langer Zeit, und er spannte sich sofort an, denn er begriff, dass die ganze Sache inszeniert sein musste.
Oder doch nicht? Er hörte Jolanda Bermudez ärgerlich einatmen. Sie hatte hastig und schuldbewusst die Hände von Farkas zurückgezogen, sobald die Stimme erklungen war. Offensichtlich hatte sie nicht mit dieser Störung gerechnet und war nicht erfreut. Farkas sah ihre Ausstrahlungen wild schwanken, und sie machte kleine scheuchende Bewegungen, als wollte sie dem Mann sagen, er solle sich verziehen.
Die beiden waren anscheinend Reisegefährten. Farkas erinnerte sich, dass am vergangenem Abend noch jemand mit der Frau am Tisch gesessen hatte; aber da hatte er keinen Grund gehabt, auf ihn zu achten. Aber hatte die Frau sich nun aus eigenen Stücken an ihn herangemacht, oder hatten sich die beiden geschickt und planvoll an ihn herangemacht?
»Ich kenne dich«, sagte Farkas ruhig zu dem Mann, wobei er die linke Hand auf den Spike in seiner Tasche legte. Die Waffe war auf Betäubung eingestellt, eine Stufe unterhalb der Lethalstärke. Das sollte genügen, dachte er. »Du bist …« – Farkas suchte tief in seiner Erinnerung – »Israeli?«
»Genau! Richtig! Du bist sehr gut. Meshoram Enron. Wir sind uns vor Jahren in Südamerika begegnet. In Bolivien, glaube ich.«
»Exakt in Caracas.« Die Erinnerung kehrte ihm nun zurück. Der kleine Mann war natürlich ein Spion. »Die Konferenz über Mineralgewinnung aus Meerwasser. – Victor Farkas.«
»Ja, ich weiß. Man vergisst dich nicht so leicht. Arbeitest du noch immer für Kyocera?«
Farkas nickte. »Und du? Ein Nachrichtenmagazin, ja?«
»Ja. Cosmos. Ich arbeite an einem Feature über die L-5-Welten.«
»Und du?« Farkas sah freundlich zu Jolanda hin. »Du hilfst Mister Enron bei seinem Artikel, ja?«
»Oh. Nein. Ich habe überhaupt nichts mit der Presse zu tun. Marty und ich sind uns erst gestern begegnet, im Shuttel von der Erde hier herauf.«
»Miss Bermudez schließt sehr schnell Freundschaft«, erklärte Enron.
»Ja, das habe ich auch bemerkt«, entgegnete Farkas.
Enron lachte. Ein genau abgestuftes kurzes Lachen, entschied Farkas, sehr sorgfältig für derartige Situationen einstudiert.
»Na«, sagte Enron. »Dann will ich euch zwei mal nicht
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